Man mische Gin-Likör, Zitronensirup und Tonic Water, garniere den Cocktail mit Blaubeeren, Gurke, Minze und Orange – und voilà: Der "Herrenhäuser Royal", Signature-Drink der LieblingsBar in Hannover, ist fertig. Doch auch erfolgreiche Gastronomiebetriebe wie die LieblingsBar, die in diesem Jahr ihr achtes Jubiläum feierte, stehen vor der branchentypischen Schwierigkeit, Fachkräfte zu finden und dauerhaft an den Betrieb zu binden.
Die LieblingsBar ist Teil der LieblingsFamilie, einem Zusammenschluss von insgesamt fünf gastronomischen Betrieben mit 65 Mitarbeitenden. Das bringt besondere Herausforderungen mit sich: Während jeder Betrieb seine eigene Identität hat, müssen Prozesse wie das Onboarding betriebsübergreifend funktionieren – besonders bei der Integration internationaler Fachkräfte z. B. aus Vietnam, Indonesien und Thailand.
„Gerade weil wir angehende Azubis aus Drittstaaten rekrutieren, ist der Papierkram deutlich umfangreicher", erklärt Norman Kretschmer, Assistent der Geschäftsleitung. Gleichzeitig wuchs die LieblingsFamilie stark und brauchte klare Strukturen für die komplexen Einarbeitungsprozesse. Um praktische Lösungen zu finden, holte sich der Betrieb Unterstützung durch INQA-Coaching.
Begleitung von Ankunft bis Ausbildungsstart
Eine zentrale Erkenntnis des Coachings: Die größten Herausforderungen entstehen bereits vor der Ankunft in Deutschland. "Eine Herausforderung beim Onboarding aus Drittstaaten ist die Ausländerbehörde – manche bekommen in drei Wochen einen Termin, andere warten sechs Monate", beschreibt Kretschmer. Ähnliche Unsicherheiten bestehen bei der Visa-Vergabe in den Herkunftsländern.
Das Unternehmen entwickelte daher einen strukturierten Begleitprozess: Bereits in Vietnam arbeitet die LieblingsFamilie mit Sprachschulen zusammen, die bei der Vorbereitung aller Dokumente unterstützen. "Die LieblingsFamilie hat für uns mit meiner Sprachschule in Vietnam alle Dokumente vorgearbeitet, so konnte mein Visum sehr schnell beantragt werden", berichtet Lien Ngoc Gip, Fachkraft Gastronomie im zweiten Lehrjahr. Auch bei der Wohnungssuche bietet das Unternehmen Unterstützung: Die Azubis können zunächst in WGs der LieblingsFamilie einziehen und sich dann in Ruhe eine eigene Wohnung suchen.
Das Coaching half dabei, diese Prozesse zu systematisieren und das gesamte Datenmanagement zu verbessern. "Da wir mit Dual-Studierenden zusammenarbeiten, war klar: Wir brauchen eine Struktur, die auch von künftigen Personalverantwortlichen gut übernommen werden kann", so Kretschmer.
Mehrsprachige Einarbeitung für bessere Integration
Herzstück des Coaching-Prozesses war ein Lab-Team aus Azubis und Dual-Studierenden verschiedener Ausbildungsjahre, unterstützt von Stationsexperten aus Küche, Bar und Service. Gemeinsam entwickelten sie mehrsprachige Schulungsunterlagen für die Grundlagenausbildung – von Bierzapfen über Kaffeemaschinen bis hin zu Bar-Equipment.
"Diese Schulungen haben wir mehrsprachig aufgesetzt: Deutsch und vietnamesisch, inzwischen auch indonesisch und bald thailändisch", erklärt Kretschmer. Die Wirkung ist spürbar: "Kurz nach meiner Ankunft und vor meinem Ausbildungsstart habe ich ein dreimonatiges Praktikum absolviert, um an einem Sprachkurs teilzunehmen", berichtet Thi Thom Vu, Fachkraft Gastronomie im zweiten Lehrjahr. "Während meines Praktikums habe ich an Grundlagenschulungen im Bereich Bar und Service auf vietnamesisch und deutsch teilgenommen, so habe ich die deutschen Begriffe lernen können und die Zusammenhänge auf vietnamesisch verstehen oder nachfragen können."
Parallel wurden die bestehenden Einarbeitungshefte aktualisiert und um mehrsprachige Anleitungen ergänzt. So können sich neue Mitarbeitende alle Vorgaben in ihrer Muttersprache durchlesen und sind schneller auf dem gleichen Stand wie langjährige Kollegen.
Von Hierarchie zu Eigenverantwortung
Besonders wertvoll war es, internationale Azubis direkt in die Projektarbeit einzubinden. "Gerade im asiatischen Raum gibt es häufig ausgeprägte Hierarchien – das Umdenken zu eigenständigen Ideen und deren Umsetzung war anfangs schwieriger", berichtet Kretschmer.
Für die vietnamesischen Azubis bedeutete dies einen wichtigen Kulturwandel. "Die Arbeitsabläufe sind organisiert, schnell und sehr gründlich”, berichtet Thi Thu Thuy Do, Fachkraft Küche im zweiten Lehrjahr. "Durch Microsoft Teams habe ich viel mitlesen können, was in der LieblingsBar passiert. Das hat mir geholfen, die Aufgaben und Probleme schneller zu verstehen – es gibt auch eine Übersetzungs-Funktion!"
"Das Schönste war, dass unsere Ergebnisse tatsächlich umgesetzt wurden. Das war ein toller Einstieg in mein Duales Studium", ergänzt Ornella Ribeiro, Dual-Studentin Online-Marketing im dritten Semester. "Die Projektarbeit hat zum einen viel Spaß gemacht und zum anderen konnte ich mit unserem Team an Projekten arbeiten, die mir einen tieferen Einblick in die Prozesse in einem Unternehmen verständlich machten."
Nachhaltiger Erfolg durch Teamarbeit
Das INQA-Coaching bewirkte einen grundlegenden Kulturwandel. "Die Zusammenarbeit und der Zusammenhalt in Teams ist deutlich besser geworden", betont Kretschmer. "Wir arbeiten seitdem systematisch in Projekten weiter – mit Teambildung, Zieldefinierung und Meilensteinen." Das Verantwortungsgefühl aller Mitarbeitenden ist gestiegen.
Für die internationalen Azubis hat sich die Integration spürbar verbessert. "Jeder kann in Deutschland seinen Platz finden, aber man muss sich sehr anstrengen und Leistung zeigen", reflektiert Thi Yen Vy Nguyen, die nach einer einjährigen Qualifizierungsmaßnahme nun ihre Ausbildung zur Restaurantfachkraft absolviert. "Es gibt so viel zu lernen und manchmal fragt man sich, ob es die richtige Entscheidung war, nach Deutschland zu kommen. Das Wichtigste ist, nicht bei Rückschlägen aufzugeben und aus seinen Fehlern zu lernen. Ich bin froh, in der LieblingsFamilie Menschen zu haben, mit denen ich über meine Sorgen sprechen kann und die mir Mut machen weiterzumachen und mein Ziel zu erreichen."
Die entwickelten Strukturen werden konsequent weitergeführt und ausgebaut. Das Unternehmen plant eine "LieblingsAkademie" für deutschlandweite Fachkräftevermittlung. Kretschmers Empfehlung an andere Gastronom*innen: "Mit der Zeit gehen ist entscheidend. Wenn man arbeitet wie vor 20 Jahren, ist man für junge Fachkräfte nicht interessant. Die Digitalisierung vereinfacht alle Prozesse – das ist anfangs Arbeit, aber wenn etabliert, ein echter Gewinn."