Die Berliner Clubs sind legendär – doch hinter den schillernden Fassaden der Nachtclubs, zwischen langen Theken und wummernden Bassboxen arbeiten Menschen. Und das oft unter hohem Druck. Unregelmäßige Arbeitszeiten, ein hoher Lärmpegel und der Umgang mit schwierigen Gästen sind nur einige der Herausforderungen, denen sie sich täglich stellen müssen.
Genau hier setzte der INQA-Experimentierraum (INQA-EXP) „Mental Health in Clubs" an, der als Teil des mittlerweile abgeschlossenen Förderschwerpunktes „Organisationale Resilienz" die psychische Gesundheit der Clubmitarbeitenden stärken sollte. Doch wie gelingt es, eine ganze Branche gesünder zu machen? Und was passiert mit den erarbeiteten Ergebnissen?
Mission Mental Health – Was wollte das Projekt erreichen?
Der Ausgangspunkt war klar: „Eine gesunde Clubkultur ist ohne gesunde Mitarbeitende nicht denkbar", betont Erich Joseph, Projektleiter von Mental Health in Clubs. „Und das fängt ganz oben an: Psychische Gesundheit und Sicherheit müssen Chefsache sein."
Der INQA-EXP zielte deshalb darauf ab, sowohl präventive als auch akute Maßnahmen zu erproben. Diese sollten nicht nur die individuelle Resilienz der Beschäftigten stärken, sondern gleichzeitig zur organisationalen Resilienz der Clubs beitragen. Ein ambitioniertes Ziel für eine Branche, die bisher wenig Erfahrung mit systematischer Gesundheitsförderung hatte.
So wurde die Clubszene unter die Lupe genommen
Um dieses Ziel zu erreichen, mussten die Projektverantwortlichen (Fernuniversität Hagen, Charité Berlin, Deutsche Psychologen Akademie sowie verschiedene Clubs in Berlin) zunächst verstehen, mit welchen Herausforderungen die Clubmitarbeitenden täglich konfrontiert sind. Daher setzten sie auf einen wissenschaftlich fundierten, aber praxisorientierten Ansatz:
„Wir sind so vorgegangen, dass wir als Erstes Fokusgruppendiskussionen, Umfragen und Einzelgespräche in den Clubs durchgeführt haben. So konnten wir die größten Stressoren aber auch die wichtigsten Ressourcen identifizieren", so Joseph.
Auf dieser Grundlage entwickelten die Projektbeteiligten ein Spektrum passgenauer Interventionen – von individueller Therapie bis hin zu teamweiten Workshops.
Von der Theorie zur Tanzfläche
In der Praxis zeigte sich schnell, dass die Bandbreite der notwendigen Veränderungen groß war. So führten die teilnehmenden Clubs beispielsweise regelmäßige Teammeetings ein – ein wichtiger Schritt, um die Kommunikation zu verbessern und Mitarbeitende in den Veränderungsprozess einzubeziehen. Parallel dazu wurden Leitfäden für Onboarding-Prozesse erstellt, Diversitätsschulungen durchgeführt und die Schichtplanung optimiert.
Ein Club schaffte sogar einen eigenen Ruheraum, in dem die Mitarbeitenden während ihrer Pausen wirklich zur Ruhe kommen können – ein kleiner, aber wirkungsvoller Schritt hin zu mehr Wohlbefinden am Arbeitsplatz.
Diese Angebote stehen den Clubs jetzt zur Verfügung
Um den Transfer in die Praxis zu ermöglichen, haben die Projektbeteiligten konkrete Instrumente entwickelt. Das Herzstück bilden zwei Handbücher, eines für Mitarbeitende und Führungskräfte und eines für Coaches, die als praktische Leitfäden dienen. Sie enthalten nicht nur theoretisches Wissen, sondern ganz konkrete Tipps – beispielsweise zum Umgang mit Stress oder zur Gestaltung einer wertschätzenden Kommunikationskultur.
Darüber hinaus bleiben bewährte Angebote bestehen. Die psychologische Beratung mit der Charité wird ebenso weitergeführt wie die Workshops zur Stärkung der Individualresilienz. Letztere behandelten Themen wie Stressmanagement oder achtsame Kommunikation – Fähigkeiten, die gerade in der hektischen Clubszene von unschätzbarem Wert sind.
So geht's weiter mit Mental Health in Clubs
Doch was passiert nach Ablauf der Projektlaufzeit? Die entwickelten Lösungen werden systematisch in die Breite getragen. Konkret bedeutet das: Die Zusammenarbeit mit Krankenkassen soll das Programm der betrieblichen Gesundheitsförderung in weiteren Clubs etablieren. Gleichzeitig arbeiten die Projektverantwortlichen an einem Folgeprojekt mit der Charité, der BGF-Koordinierungsstelle und der Berliner Senatsverwaltung, um die Resilienz von Nachtmitarbeitenden in der gesamten Berliner Veranstaltungsbranche zu fördern. Auch über Berlin hinaus sollen Clubs und Veranstaltungsstätten zukünftig von den Erkenntnissen profitieren können.
Ein Neustart für die Clubkultur?
Der INQA-Experimentierraum „Mental Health in Clubs" hat damit mehr erreicht als nur die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in einzelnen Betrieben. Er hat gezeigt, dass systematische Gesundheitsförderung auch in einer so speziellen Branche wie der Clubszene möglich ist – und dass sie sich lohnt.