Die Zeiten von Covid-19 sind geprägt von Ungewissheit und Zukunftsängsten. Viele Menschen beschäftigt aktuell die Furcht sich zu infizieren sowie die Sorge um den Arbeitsplatz, Freunde und Familie, aber auch die Zeit nach der Pandemie. In Krisenzeiten sind Hilfestellungen zum Umgang mit Ängsten und Sorgen demnach umso gefragter. Das Projekt psyGA (Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt) hat ein Online-Dossier mit direkten Hilfsangeboten, Experteninterviews und Tipps zum richtigen Umgang mit den Stressfaktoren im “Corona Alltag” und Angstgefühlen in der Krise zusammengestellt.
Um zu verstehen, wie die Pandemie sich auf unsere Psyche auswirkt, hat psyGA mit Dr. Borwin Bandelow, Präsident der Gesellschaft für Angstforschung und Dr. Hansjörg Becker, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut, gesprochen. Beide Experten sind sich einig: Die Krise ist eine enorme Herausforderung für das psychische Gleichgewicht. In ihren Beiträgen erklären sie, wie die momentane Situation bewältigt werden kann.
Vernunft und Angst agieren unabhängig voneinander. Humor kommt uns zur Hilfe.
Dass es schwerfällt, in Extremsituationen Entscheidungen zu treffen und dass das Urteilsvermögen nicht wie gewohnt funktioniert, liegt laut Prof. Dr. Borwin Bandelow daran, dass in unserem Gehirn zwei Kräfte gegeneinander arbeiten. „Es hilft zu wissen, dass wir ein Vernunftgehirn und ein Angstsystem haben. Beide arbeiten nicht unbedingt zusammen.“ So kann das Vernunftgehirn zwar die Situation erfassen und rational urteilen, das Angstsystem drängt uns allerdings immer wieder die Furchtgedanken auf. „Jede und jeder sollte daher versuchen, die intuitive Reaktion mit den tatsächlichen Fakten abzugleichen.“ Darüber hinaus betont Bandelow, dass der Humor in solcherlei Situationen eine kleine Abhilfe schaffen kann: „Humor hilft dabei, das Angstgehirn zu bändigen. Das lässt sich sogar biochemisch zeigen: Humor schüttet Endorphine im Kopf aus, im sogenannten Belohnungssystem, dem Gegenspieler des Angstsystems. Zurzeit können wir das Angstsystem nicht ausschalten, aber wir können das Belohnungssystem fördern.“ Generell gilt: Ängste sind normal, aber ein steter Abgleich mit den zur Verfügung stehenden Informationen und eine Prise Humor hilft unserer Psyche, die momentane Situation so gut als möglich zu überstehen.
Vom Unglauben hin zur Akzeptanz: Es braucht Zeit sich auf die neue Situation einzustellen
Zentral für die Bewältigung von Sorgen ist die Erkenntnis, dass auch die aktuelle Corona-Krise positive Aspekte haben kann. „Es gibt eine Chance, die darin besteht, dass wir diese Krise nur gemeinsam überwinden können. Das kann Verbundenheit und Zuversicht schaffen“, sagt Dr. Hansjörg Becker. Wie nahezu alle Ausnahmesituationen verläuft auch die aktuelle Corona-Krise nach typischen Phasen. „Es beginnt mit einer Art Schockstarre. Das heißt, wir halten inne und schauen, was passiert.“ Laut Becker werden im Zuge der Pandemie vier Phasen durchlaufen. „Es folgt die Verleugnung. Hier greift unsere Psyche zu einem Trick, um das Geschehen auszuhalten. Wir halten uns für unverwundbar und denken zum Beispiel ›Das kann nicht wahr sein‹ oder ›Mich betrifft das nicht‹.“ Die dritte Phase besteht aus der Anerkennung der Situation, gefolgt von Gefühlen wie Panik, Wut, Verzweiflung und Angst. „Man beginnt zu ahnen und zu begreifen, dass sich die Realität wirklich verändert und nicht mehr unseren Wünschen entspricht.“ Wenn die vierte und letzte Phase, die Akzeptanz, durchlaufen ist, ist man in der Lage, die neue Situation zu bewältigen.
Neben den vollständigen Interviews mit Prof Dr. Bandelow und Dr. Becker finden Sie im Dossier „Was uns umtreibt“ weitere Informationen über den Umgang mit Ängsten, Tipps zur Bewältigung des Alltags in der Corona-Krise und Kontakte für akute Not- und Krisensituationen.