Diversity 19:24 Minuten Fol­ge 5: Gleich­be­rech­ti­gung vor, wäh­rend und nach der Co­ro­na-Kri­se Startseite Mediathek Podcasts
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INQA-PODCAST: TRANSKRIPT FOLGE 5

Die INQA-Arbeitswoche. Der Überblick zur Arbeitswelt in Zeiten von Corona. Aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Präsentiert von der Initiative Neue Qualität der Arbeit.

Anja Heyde: Corona und die Frauen, das ist eine ziemlich schwierige Beziehung. 70 % der Arbeitenden im Gesundheitswesen sind Frauen. Was das bedeutet, muss ich nicht näher erläutern. Und laut einer aktuellen Studie der Hans-Böckler-Stiftung vom Mai wird die anfallende Kinderbetreuung - zu Hause, wohlgemerkt – hauptsächlich von Frauen geleistet. 27 % der Frauen haben ihre Arbeitszeit reduziert, damit sie sich um die Kinder kümmern können, aber nur 16 % der Männer. Selbst von den Paaren, die vor der Krise die Betreuung fair geteilt haben, gaben nur noch rund 60 % an, das immer noch zu tun. Die Soziologin Jutta Allmendinger hat gesagt, die Folgen der Corona-Krise werden Frauen um drei Jahrzehnte zurückwerfen, wir würden eine schreckliche Retraditionalisierung erleben. Darüber wollen wir reden in unserem INQA-Podcast „Arbeitswelten in Zeiten von Corona“. Heute ist der 26. Juni 2020, mein Name ist Anja Heyde. Und bei mir ist ein Mann, herzlich willkommen, Hubertus Heil, der Bundesarbeitsminister.

Hubertus Heil: Schön guten Tag, hallo.

AH: So, bevor wir in das Thema einsteigen, würde ich gerne noch mal auf die aktuelle Entwicklung in dieser Woche zurückblicken – ich glaube, wir müssen. Wir beide haben im ersten Podcast über Arbeitsschutz gesprochen und über Ihren Vorstoß, Werkverträge zu verbieten, und jetzt Tönnjes. Nur wenige Wochen nach dem Vorstoß muss aufgrund der Arbeitsbedingungen bei Tönnjes eine ganze Region wieder in den Lockdown. Wie ist so Ihre Laune?

HH: Ich bin entsetzt, weil ich denke an die Menschen, die infiziert sind, die auch erkranken werden. Und dass, weil offensichtlich man sich nicht an Regeln gehalten hat, eine ganze Region in Geiselhaft genommen wird, ist ein erhebliches Problem. Aber es ist ja nicht nur Tönnjes, wir haben auch noch Meldungen aus Niedersachsen, wir hatten Meldungen aus Bad Bramstedt in Schleswig-Holstein. Hier in Coesfeld, Pforzheim, Regen in Bayern. Also es geht darum, dass wir in dieser Branche grundlegend aufräumen müssen. Und wir sehen: Das Corona ist ein Brennglas. Dinge, die vorher schon nicht in Ordnung waren in der Branche, werden jetzt zu einem allgemeinen Gesundheitsrisiko. Und deshalb bin ich entschlossen, meinen Beitrag zu leisten, die Verhältnisse da grundlegend zu ändern.

AH: Also an Ihrer Stelle hätte ich einen Hals wie eine Keksdose, Sie haben das sehr diplomatisch formuliert.

HH: Ja, ich bin stinksauer, ich sage das ganz offen: Es ist überhaupt nicht akzeptabel  schon seit Jahren nicht , dass Menschen ausgebeutet werden, das sind Menschen aus Mittel- und Osteuropa. Ich hatte die rumänische Arbeitsministerin zu Gast, die hat sich ins Auto gesetzt und ist von Bukarest nach Berlin gefahren, weil das auch innenpolitisch in Rumänien ein großes Thema ist: Was passiert mit rumänischen Landsleuten, die bei uns arbeiten, die zu schlechten Löhnen zu schlechten Arbeitsbedingungen tätig sind und deren Gesundheit gefährdet wird? Es gab ja schon verschiedene politische Anläufe, da aufzuräumen, 2017 ein relativ scharfes Gesetz. Wir haben dann immer erlebt, dass diese Branche versucht hat zu lobbyieren, um Gesetze abzuschleifen – oder wenn scharfe Gesetze gekommen sind, sie mit neuen Sub-Sub-Subunternehmerkonstruktionen zu umgehen. Das ist nichts anderes als organisierte Verantwortungslosigkeit und das werde ich ändern.

AH: Kann man das nicht schon früher hinbekommen, weil: Das Verbot soll ja ab Januar gelten. Ist das hinzukriegen?

HH: Wir arbeiten daran mit Hochdruck  und wenn es nach mir geht, auch vor dem 1. Januar , die Werksverträge und die Leiharbeiter in der Branche zu verbieten, denn das ist eine Wurzel des Übels. Mein Ministerium wird im Juli noch einen Gesetzentwurf vorlegen, aber der muss rechtsfest sein. Dann müssen wir damit rechnen, dass da ein paar Fleischbarone gegen klagen werden. Und deshalb muss man da auch sorgfältig arbeiten. Deshalb sage ich: 1. Januar ist nicht in Stein gemeißelt. Wir werden im Juli was vorlegen. Wenn der Bundestag schneller entscheidet, können wir auch schneller ans Werk gehen, um Werksverträge und Leiharbeiter abzuschaffen. Abe wir müssen vor allen Dingen jetzt handeln. Und das heißt: Wir setzen im Moment auch ohne Gesetz auf schärfere Kontrollen der Arbeitsschutzbehörden der Länder und unterstützen das mit dem Zoll des Bundes und auch den örtlichen Gesundheitsämtern, weil: Die Pandemie ist jetzt. Was wir letzte Woche schon beschlossen haben, ist ganz wichtig: dass wir auch die Menschen, die da arbeiten, aus Mittel- und Osteuropa, über Rechte aufklären. Das Projekt heißt „Faire Mobilität“. Wir haben die Finanzen dafür verdoppelt und das auch gesetzgeberisch verankert. Also es geht um ein Bündel von Maßnahmen. Aber Sie haben recht: Im Zentrum steht, dass wir in dieser Situation grundlegend in der Fleischwirtschaft, in der Fleischindustrie aufräumen mit Werksverträgen, Subunternehmertum. Das heißt, dass die Beschäftigten dort ordentlich und fest angestellt sind.

AH: Manchmal denke ich, wenn eine Frau Chefin bei Tönnjes gewesen wäre, wäre das nicht passiert – ich kann mich täuschen.

HH: Ja. Es kann sein – also es ist ja sozusagen auch eine Art und Weise des Auftritts dieser Branche gewesen, bestimmter Protagonisten. Und einigen haben sich offensichtlich über Recht und Gesetz gefühlt. Also ich lasse das mal stehen. AH: Ich wollte eigentlich auch nur die Kurve kriegen. Aber das hat eigentlich ganz gut funktioniert – fast.

HH: Fast. Wenn ich nicht so lange darüber philosophiert hätte, genau.

AH: Nein, passt gut. Ich habe übrigens ganz kurz gezuckt, als klar war, ich rede mit einem Mann über Frauen und Arbeit. Aber weil Sie es sind, der Bundesarbeitsminister, bin ich jetzt nicht ganz so pingelig, ich lasse das mal durchgehen. Wie haben Sie das eigentlich zu Hause geregelt, jetzt während der Corona-Zeit?

HH: Na ja, da ist ein schwieriges Thema, das ist auch eines, das mich beschäftigt, gerade in verschiedenen Phasen unterschiedliche Aufgaben zwischen meiner Frau und mir und Kinderbetreuung und Homeoffice geben. Es gab am Anfang eine Situation, relativ am Anfang dieser Pandemie, dass ich selbst ein Verdachtsfall war, weil ich jemanden getroffen habe, der infiziert war. Das heißt, ich war auch in häuslicher Quarantäne und bin dann Gott sei Dank negativ getestet worden, habe in der Zeit allerdings auch erlebt, weil die Schulen und Kitas dann geschlossen sind, dass meine Kinder zu betreuen waren, und ich habe jetzt auch persönlich die Erfahrung gemacht, dass Homeschooling und Homeoffice wirklich nicht vereinbar sind. In der späteren Phase hat meine Frau das eher alles tragen müssen, hat die Möglichkeit gehabt, von zu Hause aus zu arbeiten, aber hat eben auch die Erfahrung gemacht: Kita- und Schulschließung, Hausarbeit, Care-Arbeit, Kinderbetreuung und eigentlich Erwerbstätigkeit vereinbaren zu müssen. Also, das hat Schlagseite auch an meiner Familie, und meine Frau hat da mehr getragen als ich, weil ich dann doch oft im Ministerium war, um hier zu arbeiten.

AH: Es gibt eine Zahl von der Bertelsmann-Studie, ganz aktuell, die hat gezeigt, dass ausgerechnet Mütter auf das gesamte Arbeitsleben gesehen bis zu 70 % weniger verdienen als Männer. Die Zahl ist neu, die Tatsache nicht. Welche Konsequenzen zieht der Bundesarbeitsminister daraus?

HH: Auch da gilt, dass Dinge, die vor Corona nicht in Ordnung waren, jetzt hell ausgeleuchtet werden. Und das heißt, wir sind aufgerufen, jetzt nicht nur die Krise zu managen, sondern grundlegende Konsequenzen zu ziehen. Das fängt an mit der Frage, dass wir jetzt wirklich dafür sorgen müssen, dass es einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung auch an Grundschulen gibt. Wir haben ja einen Rechtsanspruch im Kitabereich seit einigen Jahren. Aber wenn die dann eingeschult werden und keine Ganztagsschulmöglichkeiten oder keine Ganztagsbetreuung ist, stellt sich das Problem für Eltern und Kinder neu und das geht oft zulasten von Frauen. Es geht auch darum, dass wir mit den Lohn- und Gehaltsunterschieden in diesem Land aufräumen müssen. Tatsache ist, dass in klassischen sogenannten Frauenberufen immer noch schlechter bezahlt als in klassischen gewerblichen industriellen Männerberufen. Das macht einen Lohnunterschied von 23 % aus. Dazu kommt, dass Frauen oft in Teilzeit tätig sind aufgrund eben auch fehlender Betreuungsmöglichkeiten, manchmal gewollt eine Zeit im Leben, aber oft auch ungewollt mit allen Folgen, die das übrigens im Alter für die Altersvorsorge hat. Und auch deshalb ist es wichtig, dass wir nächste Woche die Grundrente beschließen, von der vor allen Dingen Frauen was haben werden.

AH: Also das heißt, wenn ich Ihnen so zuhöre, es gibt politische Instrumente, die man noch hat, um genau diese Ungerechtigkeit zu beseitigen. Aber wir reden ja hier von einem Kulturwandel, wenn man so will. Und die allein durchzukriegen – also wenn es nach Ihnen ginge, wäre das wahrscheinlich möglich, aber es gibt ja auch noch einen Koalitionspartner.

HH: Den muss man manchmal ein bisschen drücken, aber wir haben mit Franziska Giffey eine Frauen- und Familienministerin, die da heftigst dran arbeitet, zum Beispiel den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung umzusetzen. Und ich bin froh, dass in diesem Konjunkturpaket ja nicht nur Geld da ist, um Beschäftigung zu sichern, um Unternehmen Brücken zu bauen, sondern dass wir auch investieren milliardenschwer in den Ausbau von Ganztagsbetreuung. Das geht nicht auf einen Schlag, aber es muss ein Rechtsanspruch auch in den Grundschulen geben, damit minderjährige Kinder gut betreut und versorgt sind. Es geht auch um frühkindliche Förderung in diesem Bereich und deshalb ist eine Konsequenz. Eine andere haben wir vor zwei Jahren schon gezogen: Wir haben die Brückenteilzeit eingeführt. Das heißt, um junge Frauen aus der Teilzeitfalle rausführen zu können, eine Möglichkeit geschaffen, dass man eine Zeit des Lebens in Teilzeit gehen kann, so wie es in einer Lebensphase passt, um dann auch geplant wieder in Vollzeit gehen zu können. Also das sind Maßnahmen, die wir schon getroffen haben, aber es muss noch mehr passieren, das ist gar keine Frage, auch in meinem Bereich. Da geht es vor allen Dingen um die Frage „Wie steigern wir Tarifbindungen in vielen Bereichen?“, denn die Heldinnen und Helden des Alltags – den Begriff kann man ja schon gar nicht mehr hören -, die haben mehr verdient als einfach nur Applaus und Schokolade, sondern einfach bessere Arbeitsbedingungen und auch bessere Löhne, ob das im Einzelhandel ist oder in der Pflege. Und daran arbeiten wir mit den Möglichkeiten, die wir haben, Tarifbindung zu steigern, weil da, wo ein Tarifvertrag ist, in der Regel auch besser bezahlt wird.

AH: Das ist, wenn man sich – also wenn man mal so von oben draufguckt, ja sicherlich auch eine gesellschaftliche Frage. Denn in den nordischen Ländern, Schweden und Dänemark zum Beispiel, da war eine der ersten Fragen, die dort behandelt wurden: Wie können wir die Kindergärten und die Schule schnell wieder öffnen bzw. auch offen lassen? – Bei uns war die Frage: Wie kriegen wir die Baumärkte irgendwie ganz schnell wieder auf und die Autohäuser? Also der Unterschied ist schon frappant.

HH: Ich verstehe, dass das so wahrgenommen wird. Und es ist nach wie vor ja ein Riesenthema: Wie kriegt man es hin, dass Kitas und Schule in einen neuen Regelbetrieb kommen? Wie schafft man es trotzdem auch, Gesundheit der Beschäftigten, der Kinder zu schützen? Ich habe ganz einfach die Hoffnung, dass das, was die Länder angekündigt haben, die dafür zuständig sind, dass nach dem Sommer ein Regelbetrieb wieder stattfindet, sich auch realisieren lässt. Aber daran muss gearbeitet werden, auch mit den entsprechenden Konzepten, wie man das umsetzt. Denn es geht ja nicht nur um Kinderbetreuung. Am Ende geht es auch um die Bildungschancen von Kindern und Jugendlichen. Und auch das ist eine Gefahr, die wir sehen: nämlich dass besonders benachteiligte Kinder und Jugendliche in solchen Zeiten auch noch weiter abgehängt werden. Deshalb ist das meine Hoffnung, dass das geschieht.

AH: Sie haben es gesagt: Die Teilzeit ist eines der – nennen wir es nicht Problem, sondern eine der Herausforderungen, vor denen Frauen stehen. Also wir haben 47 % der erwerbstätigen Frauen in Teilzeit. Das ist insofern ein Problem, weil das am Ende beim Einkommen und auch bei der Rente natürlich zählt. Sie haben die Brückenteilzeit angesprochen. Welche Möglichkeiten haben denn kleine, mittlere Unternehmen zum Beispiel auch noch, um Frauen in Teilzeit besser zu fördern?

HH: Ja, wie gesagt, zum einen die Möglichkeit, zu flexibilisieren und miteinander zu vereinbaren, dass man zeitweise in Teilzeit arbeitet. Mein Grundsatz ist: Arbeit muss zum Leben passen und nicht umgekehrt. Und es gibt ja verschiedene Phasen im Leben, in denen man gewollt auch mal in Teilzeit arbeiten will, das ist ja an sich nichts Schlechtes. Ein Problem wird, wenn man ungewollt in der Teilzeitfalle stecken bleibt. Und deshalb ist das eine neue Möglichkeit. Ich hoffe, dass davon mehr Gebrauch gemacht wird angesichts der Tatsache, dass – jedenfalls vor Corona und wahrscheinlich auch nach Corona – wir in vielen Bereichen auch über Fachkräfteengpässe reden, glaube ich, dass viele dazu übergehen werden, auch, wenn es um Flexibilität geht von Arbeitszeiten, nicht mehr über die Flexibilitätsanforderungen von Unternehmen zu reden, sondern auch um die Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.

AH: Wie kriegt man denn Frauen in Teilzeit, in Leitungspositionen zum Beispiel? Das ist ja ein Riesending. HH: Das ist ein Riesenthema. Wir haben – man muss ja immer bei sich selbst anfangen. Also im Ministerium für Arbeit und Soziales haben wir ein Projekt, das heißt „Führen in Teilzeit“, wo wir gezielt versuchen, auch diese Möglichkeit zu fördern. Ich gebe zu, dass es auch bei uns in der Praxis nicht leicht ist, weil Präsenzkultur ein großes Thema ist. Auch das wird sich nach Corona vielleicht ein bisschen anders darstellen, weil wir auch neue und flexible Möglichkeiten, zum Beispiel des ortsflexiblen mobilen Arbeitens jetzt - in vielen Bereichen jedenfalls – ausprobieren und erleben. Auch das haben wir hier vor Corona schon gemacht mit einer Betriebsvereinbarung. Also man muss das gezielt auch fördern an dieser Stelle. Es geht nicht von allein. AH: Wenn eine Frau in Teilzeit ist und in der Leitungsposition, dann hört sich vermutlich zu Hause nicht auf zu arbeiten, das ist ja oft so. Was heißt das – oder was bedeutet Digitalisierung in diesem Zusammenhang? Kann die nicht sogar ein Stück weit helfen, wenn wir es hinkriegen? Kommen wir weg von der Präsenzkultur.

HH: Wenn man es gut organisiert, ja. Aber man darf nicht naiv sein. Ich mache es noch mal an diesem berühmten Thema Homeoffice, das so viel diskutiert wird: Die meisten sind, die das jetzt machen konnten – übrigens, die meisten, die in den letzten Monaten gearbeitet haben, waren immer auch am Arbeitsplatz, 57 %, vor allen Dingen übrigens auch Frauen, an der Kasse oder in der Altenpflege oder auch Busfahrer – oder was auch immer. Also man muss sagen, es waren meistens doch alle am Arbeitsplatz. Aber in vielen Bürojobs war es anders. Wir haben einen Großversuch von Homeoffice – ungewollt – erlebt, aus Pandemiegründen. Viele haben das nicht als romantisch erlebt, weil Homeschooling, wie gesagt, und Homeoffice nicht so wirklich zusammenpassen. Wenn Schulen und Kitas wieder auf sind, könnte sich das anders darstellen. Einige wollen das im Leben auch nutzen. Aber es gibt kulturelle Unterschiede, um es jetzt mal in diesem Klischee zu sagen: Wenn ein Mann im Homeoffice arbeitet, ist es oft so: Der macht die Tür zum Arbeitszimmer zu, weil er will ja arbeiten. Und eine Frau macht die Arbeit und hat gleichzeitig, wie gesagt, gleichzeitig noch Care-Arbeit zu Hause zu leisten. Und dem müssen wir uns zuwenden. Auch bei der Frage „Wie regeln wir das eigentlich mit Arbeitszeiten im Homeoffice, mit Arbeitsschutz?“ – ich will, dass wir diese gesellschaftliche Debatte führen und dafür vernünftige Regeln auch finden, weil es mit Sicherheit so ist, dass zukünftig in vielen Bereichen mehr passiert und auch gewollt ist.

AH: Wie kann man denn als Unternehmen im eigenen Interesse Frauen zu einem integralen Bestandteil von so einem Transformationsprozess machen, auch so einen Kulturwandel schaffen?

HH: Ja, erst mal ist man ökonomisch nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Es geht ja immer auch im Wirtschaftsleben um Interessen. Das ist ja nicht alles eine Geschichte nur von guten Werten. Und ein unternehmerisches Interesse ist, Umsätze zu machen, erfolgreich zu sein. Und man ist produktiver – das ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen -, wenn man in diversen Teams, in gemischten Teams arbeitet. Das fängt aber schon mit der Führungskultur an. Und wenn dann an Bord eines größeren Unternehmens Frauen nicht auftauchen, sind bestimmte Themen nicht auf dem Schirm, das ist auch so eine Lebenserfahrung. Deshalb ist es richtig, dass wir auch in diesem Bereich dafür sorgen, dass Frauen stärker in Führungspositionen kommen. Dann sagen viel: Kümmere dich doch erst mal um die Altersprobleme von Frauen, die gar nicht im Top-Management eines Unternehmens sind, sondern tatsächlich schlecht bezahlt an der Ladenkasse arbeiten. Wir müssen beides tun. Das hat auch beides miteinander zu tun. Denn die Frage, wie Unternehmen geführt werden, hängt auch von der Frage ab, wer Unternehmen führt, wer im Aufsichtsrat, wer im Vorstand ist von Unternehmen. Und die Erfahrung ist: Da ist viel Luft nach oben in Deutschland. Und freiwillige Selbstverpflichtungen allein reichen wohl nicht mehr aus.

AH: Ja. Also mehr Möglichkeiten, wie man Frauen im eigenen Unternehmen fördern kann, finden Sie übrigens auch auf der Website der Initiative „Neue Qualität der Arbeit“, inqa.de. Da gibt es übrigens auch ein Projekt, das nennt sich „WomenDigit“. Und Ziel ist es, Digitalisierung und Geschlechtergerechtigkeit zu verbinden. Welche Erfahrungen hat man damit gemacht?

HH: Also gemischte. Aber auch da gibt es Tendenzen, die für mich den Eindruck verstärken, dass nichts von selbst kommt. Also in der schönen neuen New Work- und digitalen Arbeitswelt-Debatte ist mir aufgefallen, dass die Gründung von digitalen Start-ups oft doch eine sehr männliche Veranstaltung ist. Und da geht es darum, dass man dagegen steuert. Und das fängt zum Beispiel damit an, dass man auch positive weibliche Rollenbilder – Role Models, sagt man – tatsächlich ausstellt und deutlich macht: Es gibt auch ganz toughe Frauen, die digitale Start-ups gründen. Das sind nicht immer nur die Jungs in den offenen weißen Hemden mit den braunen Schuhen und den interessanten Bärten. Also da müssen wir noch eine ganze Menge tun, um gezielt auch Frauen zu ermutigen, zu unterstützen, in diesem Bereich tätig zu werden. Das zeigt für mich: Technologischer Wandel, technologischer Fortschritt ist eine großartige Sache. Aber ist nicht automatisch sozialer Fortschritt für alle, sondern ist eine Frage von Gestaltung.

AH: Der INQA-Podcast ist ja quasi wie so eine Art Fenster ins Ministerium. Man kann schauen, was jetzt im Moment, während der Corona-Krise, da alles so passiert und beschlossen wird. Und am Ende des Podcast schauen wir ja immer, was in der Woche drauf jetzt Thema werden könnte. Was beschäftigt den Bundesarbeitsminister nächste Woche?

HH: Eine Sache aus dieser Woche noch: Wir haben diese Woche einen Bonus für Ausbildung beschlossen, das finde ich ganz wichtig, dass wir keinen Corona-Jahrgang in der beruflichen Bildung haben, weil auch viele kleine und mittelständische Unternehmen sich fragen: Bilde ich noch aus in der Situation, wo ich Umsatzeinbrüche habe? Wir haben mit den Ausbildungsprämien, die wir geschaffen haben, wirklich einen guten Anreiz für kleine und mittelständische Unternehmen, also Unternehmen, die weniger als 250 Beschäftigte haben, tatsächlich Ausbildungsquoten zu halten oder sogar noch zu steigern, weil die Azubis von heute auch die Fachkräfte von morgen sind. Dazu setzen wir das Konjunkturpaket um, auch in den Bereichen, für die wir zuständig sind, zum Beispiel in der Entlastung von Kommunen, was ihre sozialen Kosten betrifft, damit Kommunen, Städte und Gemeinden investieren können, auch das belebt die Wirtschaft. Ja, und nächste Woche wird einiges los sein. Es wird beispielsweise im Bundestag auch mal wieder um die Grundrente gehen. Es wird auch ein Bericht der Mindestlohnkommission geben über die Frage, wie sich der Mindestlohn weiterentwickelt. Also wird nicht langweilig in den nächsten Wochen.

AH: Nein, den Eindruck habe ich auch. Viel Spaß schon mal.

HH: Vielen Dank.

AH: Vielen Dank an Hubertus Heil, den Bundesarbeitsminister, für die Zeit. Nächste Woche hier im INQA-Podcast „Arbeitswelten in Zeiten von Corona“ dann wieder Leonie Gebers und da wird es genau darum gehen, dass wir noch mal über Aus- und Weiterbildung sprechen und über das, was im Konjunkturpaket beschlossen wurde. Da steckt ja einiges Potenzial drin. Also: Bis dahin! Vielen Dank!

Welche Auswirkungen hat die Corona-Pandemie auf die Gleichberechtigung von Frauen? Sollten die Corona-Hilfen auf Geschlechtergerechtigkeit überprüft werden? Wie können Frauen in Teilzeit in kleinen und mittleren Unternehmen gefördert werden? Diese und weitere Themen besprechen wir in der fünften Folge des INQA-Podcasts mit Bundesminister für Arbeit und Soziales Hubertus Heil.

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