17 Jahre lang hat sich Greta Silver hauptberuflich um die Erziehung ihrer drei Kinder und den Haushalt gekümmert. „Mit Marmelade kochen – so muss man sich das vorstellen“, sagt die YouTuberin rückblickend. Als die Kinder größer wurden, begann sie zu arbeiten. Sie richtete zunächst Ferienhäuser ein, entwarf Möbel, arbeitete als freie Journalistin und organisierte Kongresse. Mit sechzig wurde sie Model.
An ihrem 66. Geburtstag sagte ihre Tochter zu ihr: „Ich glaube, du musst der Welt da draußen mal erzählen, wie cool es ist, alt zu sein.“ Am nächsten Tag nahm Greta Silver ihr erstes YouTube-Video auf und bekam bald viel Zuspruch – vor allem von Frauen ihres Alters. Den Erfolg brachte ihr eine unbestechlich einfache Rechnung: Von 60 bis 90 ist genauso lang wie von 30 bis 60. Obwohl es genauso viele Lebensjahre sind, schenken wir diesen drei Dekaden viel weniger Aufmerksamkeit. Und genau das möchte sie ändern: Die Menschen sollen sich dieser Lebenszeit bewusster werden.
Wie kann man aus Ihrer Sicht jüngere und ältere Mitarbeiter*innen besser zusammenbringen?
Sich gegenseitig zu helfen ist das Erfolgsmodell für alle – für Unternehmen, für die Jungen, für die Alten. Aus meiner Sicht ist es wichtig, offen füreinander zu sein. Dafür bedarf es der Neugierde aufeinander. Als ältere Arbeitnehmende sollte man gern auch mal die junge Denke haben. Es sollte allen klar sein, dass man sich gegenseitig enorm bereichern kann.
Haben Sie dafür ein Beispiel?
Nehmen wir mal einen 60jährigen Vertriebler: Wenn er nach wie vor on fire ist für das, was er tut, dann ist er neugierig auf die neuen Methoden, die junge Menschen von der Uni mitbringen.
Im Gegenzug ist es für junge Beschäftige eine Wohltat zu sehen, wie souverän erfahrene Kolleginnen und Kollegen durch schwierige Zeiten gehen, mit komplizierten Kundinnen und Kunden umgehen oder aus ihrem Erfahrungsschatz ganz andere kreative Lösungen finden. Gerade bei rauer See sind Mitarbeitende mit viel Erfahrung die Stütze im Unternehmen.
Niemand sollte sich durch ewige Vergleiche verunsichern lassen und sich minderwertig fühlen.
Welche Tipps können Sie älteren Mitarbeiter*innen geben, als wertvolle Fachkräfte sichtbarer oder mehr gehört zu werden?
Nur mit Begeisterung können wir überzeugen. Eine Anordnung von oben „Jetzt seid mal bitte alle nett zu den Alten“ funktioniert nicht.
Bewahren Sie sich Ihre Aufgeschlossenheit und Ihr Interesse für Neues.
Lassen Sie sich nicht aufs Abstellgleis schieben, sondern fordern Sie zum Beispiel aktiv Fortbildungen ein!
Wenn Sie als Beschäftige 50plus den Eindruck haben, nicht mehr so relevant für Führungskräfte zu sein, trauen Sie sich nachzufragen: In welcher Arbeitssituation fehlt mir was? Wo drückt es?
Wenn Sie sich noch fit fühlen, über das Renteneintrittsalter hinaus zu arbeiten, aktiv vorschlagen: Geht es auch auf freiberuflicher Basis?
Das bringt ein ganz neues Selbstbewusstsein, denn dafür muss man sich seiner eigenen Fähigkeiten klar werden. Es macht innerlich etwas, wenn man merkt, man wird auf dem Markt gebraucht.
Erkennen, dass man selbst seine eigene Zukunft gestaltet und sich fragen: Was habe ich für ein Altersbild? Denn das prägt.
Frau Silver, Sie treten auch viel in Unternehmen auf. Welche halten Sie in Sachen Umgang mit älteren Beschäftigten für vorbildlich? Was machen diese Arbeitgeber*innen richtig und was kann man sich abschauen?
In funktionierenden Unternehmen ist man sich der Kostbarkeit der unterschiedlichen Energien bewusst, die jeder mitbringt. Dort wird Wert auf eine Atmosphäre gelegt, bei der jeder „im Flow“ ist, bei der die Arbeit mit Leichtigkeit fließt. Wir kennen es doch alle, im Flow „fetzen“ wir die Arbeit nur so vom Tisch und wenn es schlecht geht, wird alles mühsam. Dies in jedem Alter zu erhalten, funktioniert durch Wertschätzung und durch eine offene, transparente Kommunikation über alle Hierarchieebenen hinweg. In gut funktionierenden Unternehmen gibt es außerdem einen „emotionalen Schutzraum“, in dem es jeder und jedem Arbeitnehmer möglich ist, Ideen zu äußern, ohne belächelt zu werden. Dadurch werden Kreativität und Innovation erst möglich.
Wir brauchen auch das Vertrauen der erfahrenen Berufstätigen ins Unternehmen, in die Führungskräfte, dass sie ihre Mitarbeitenden unterstützen sowie die Erkenntnis, dass auch Krisen vorüber gehen. Vieles kommt tatsächlich erst mit den Jahren hinzu. Auch das Wissen, wie wichtig das Verbundenheitsgefühl ist: Es ist wichtig, sich gegenseitig den Rücken zu stärken, statt Ellenbogenmentalität Raum zu geben.
Was sehen Sie derzeit noch für Hürden bei den Unternehmen, die Generation50plus mehr zu fördern und als Fachkräfte zu binden?
Wenn der Spaß an der Arbeit oder im Team fehlt, wird es schwierig. Die größte Hürde scheint zu sein, dass in manchen Unternehmen noch nicht ausreichend erkannt wurde, dass zufriedene Mitarbeiter deutlich mehr Leistung bringen. Wieviel Arbeitsleistung geht verloren, wenn manche von ihnen das Gefühl bekommen, sie zählten zum alten Eisen, und auch keine Fortbildung mehr erhalten, weil sie ja in ein paar Jahren in den Ruhestand verabschiedet werden.
Wie ist ihr persönlicher Blick auf das Thema Alter und Arbeit?
Ich persönlich kann für mich sagen: Was habe ich für ein Glück jetzt alt zu sein! Ich genieße all die Möglichkeiten, die sich mir geboten haben und bieten und für die ich in jüngeren Jahren einfach keine Zeit hatte. Ich würden mir wünschen, dass möglichst viele Menschen diese wertvolle Zeit zwischen 60 und 90 intensiv nutzen. Von der Arbeitswelt erhoffe ich mir, dass nicht mehr so viel über das Alter nachgedacht wird – sowie man auch nicht mehr darüber nachdenken sollte, woher jemand kommt – sondern zu fragen, was hat der Mensch erlebt, wo will er hin, was hat er für Visionen.