Von Vorurteilen bis Mobbing: Obwohl unsere Gesellschaft und damit auch die Arbeitswelt bunter und diverser geworden ist, erleben Menschen, die trans*, inter* oder nichtbinär sind, noch immer Stigmatisierung und Diskriminierung. Das gilt auch für ihren Berufsalltag. Der Stress, der damit einhergeht, kostet viel Kraft. Nicht selten führt er dazu, dass Betroffene den Betrieb oder gar die Branche wechseln. In einer Zeit, die von Fachkräfteengpässen geprägt ist, sind deshalb besonders jene Unternehmen und Verwaltungen erfolgreich, die Diversität fördern, ein wertschätzendes Miteinander leben und Arbeitsbedingungen inklusiv gestalten. Doch was können Betriebe konkret tun, um ein offenes Umfeld zu schaffen? INQA stellt hier eine Reihe einfacher Maßnahmen vor, die bereits viel bewirken können.
Exkurs: Begrifflichkeiten rund um Geschlecht und Gender
Bei Fragen von Geschlecht und Gender ist es wichtig zu verstehen, dass es verschiedene Formen von Geschlechtsidentität gibt. Dazu gehören insbesondere inter*, nicht-binäre und trans* Personen:
Intergeschlechtliche (oder auch inter*) Personen weisen von Geburt an sowohl männlich als auch weiblich zugeordnete Geschlechtsmerkmale auf (genetisch, anatomisch, hormonell).
Als trans* / transgeschlechtlich / transident / transgender werden Menschen bezeichnet, die bei ihrer Geburt einem Geschlecht zugeordnet wurden, deren tatsächliche Identität aber mit diesem nicht übereinstimmt. Beispiel: Eine trans Frau hat eine weibliche Geschlechtsidentität, ihr wurde bei der Geburt jedoch das männliche Geschlecht zugewiesen. Die Identität ist aber nicht auf die Positionen „männlich“ und „weiblich“ beschränkt, sondern ein unendliches Spektrum. Auch nichtbinäre Menschen können sich als trans* bezeichnen.
Nichtbinär sind Menschen, die eine strikte Zuordnung zu männlich oder weiblich für sich ablehnen. Nichtbinäre Menschen können sich zum Beispiel zwischen oder ganz außerhalb der binären Ordnung verorten, oder gar kein Geschlecht haben (agender). Manche nichtbinäre Menschen sind gleichzeitig männlich und weiblich (bigender) oder haben eine Geschlechtsidentität, die sich immer wieder ändert (genderfluid) oder verstehen sich nur zum Teil einem Geschlechter zugehörig (demigender).
Mit dem Begriff cis werden Menschen bezeichnet, deren Geschlechtsidentität mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt.
Alle vier Begriffe betreffen die geschlechtliche Identität, nicht die sexuelle Orientierung. In der Schriftsprache werden häufig das Gender-Sternchen (*), der Gender-Doppelpunkt (:) oder der Unterstrich (_) verwendet, um die über cis-männlich und cis-weiblich hinausgehenden geschlechtlichen Identitäten in die Sprache zu inkludieren.
Tipps für Stellenausschreibungen und Co.
Gewusst wie: Mit leicht umzusetzenden Maßnahmen lässt sich viel erreichen. Der Bundesverband Trans* stellt in seinem Handbuch „TransVisible: Praxistipps für Stellenausschreibungen, Bewerbungsverfahren und Onboarding“ konkrete Praxistipps vor. INQA fasst die wichtigsten zusammen:
Nutzen Sie möglichst neutrale Berufsbezeichnungen wie Mitarbeitende, Teammitglied oder Führungskraft. Wo dies nicht möglich ist, nutzen Sie das Gender-Sternchen, den Unterstrich oder den Doppelpunkt, zum Beispiel Sekretär*in, Pressesprecher_in oder Grafiker:in. Diese sind außerdem sinnvoll bei Bezeichnungen, die vielleicht eher männliche Assoziationen hervorrufen wie Projektleitung. So machen Sie deutlich, dass hier alle Geschlechter gemeint und ausdrücklich erwünscht sind.
Motivieren Sie Bewerber*innen, ihren selbstgewählten Namen zu nutzen, auch wenn dieser unter Umständen (noch) nicht amtlich ist. Schreiben Sie zum Beispiel in Ihrer Stellenausschreibung: „Teilen Sie uns gerne die Namen, Pronomen und Anredewünsche mit, mit denen Sie angesprochen werden wollen. Diese werden von uns unabhängig davon respektiert, ob diese mit Angaben in Zeugnissen oder anderen Unterlagen übereinstimmen.“
Vermeiden Sie im Bewerbungsformular die Abfrage des Geschlechts, damit Bewerber*innen sich nicht zwangsweise outen oder „misgendern“ müssen. Fragen Sie stattdessen lieber nach der gewünschten Anrede. Wenn Sie das Geschlecht erfassen wollen oder müssen, leiten Sie davon nicht die Anrede ab – Geschlecht und Anrede sind getrennt voneinander zu betrachten. Nutzen Sie zudem selbst geschlechtsneutrale Anreden wie „Guten Tag [Vorname Nachname]“ oder „Sehr geehrte*r [Vorname Nachname]“.
Ermuntern Sie in Ihrer Stellenausschreibung benachteiligte oder unterrepräsentierte Gruppen besonders zur Bewerbung und erweitern Sie so Ihren Pool an Kandidat*innen.
Das Thema Diversity ist in Ihrem Leitbild verankert? Sie haben eine eigene Ansprechperson für Diversity oder Antidiskriminierung und sind vielleicht auch Teil eines LGBTIAQ+-Netzwerks? Machen Sie potentielle Bewerber*innen auf ihre bereits erarbeiteten Diversity-Kompetenzen aufmerksam, in dem Sie auf diese und gegebenenfalls auf Ihre dazugehörige Website verweisen!
Wenn Menschen, die Sie nicht kennen, Sie mit sehr persönlichen Fragen konfrontieren, kann sich das sehr unangenehm anfühlen. Machen Sie die Geschlechtsidentität der sich bewerbenden Person daher nicht zum Gesprächsthema. Das heißt: stellen Sie nur Fragen, die für die Stellenbesetzung wirklich relevant sind und die Sie auch anderen Bewerber*innen stellen würden. Hier kann ein Katalog standardisierter Fragen hilfreich sein, denn er schafft Vergleichbarkeit, sowie Kompetenzkataloge, mit deren Hilfe Sie die Kompetenzen der Bewerber*innen erfassen können.
Bewerbungsgespräche sind immer eine Stresssituation – für Personen, die trans*, inter* oder nichtbinär sind, trifft das ganz besonders zu aufgrund möglicher unangenehmer Fragen oder genderkonformer Erwartungen an Aussehen, Stimme oder Kleidung. Schulen Sie deshalb die Mitglieder Ihres Auswahlteams in Fragen zu sexueller und geschlechtlicher Vielfalt. Je diverser Ihr Auswahlteam außerdem zusammengesetzt ist, desto weniger laufen Sie Gefahr, Bewerber*innen durch unbewusste Prozesse zu benachteiligen.
Viele Unternehmen und Verwaltungen gehen bereits voran – Beispiele aus der INQA-Welt
Von der Stellenanzeige bis zum Onboarding: Indem Betriebe inklusiv und sensibel kommunizieren, motivieren und stärken sie trans*, inter* und nichtbinäre Personen in der Arbeitswelt. Mehr noch: Sie präsentieren sich damit auch gegenüber allen anderen Bewerbenden als offenes Unternehmen, das Vielfalt willkommen heißt. So stärken Sie ihr positives Arbeitgeberimage und machen sich attraktiv.
Vier Praxisbeispiele aus der INQA-Reihe „Arbeit braucht Dich. So, wie Du bist.“ zeigen, wie verschiedene Betriebe bereits aktiv sind, um ein Arbeitsumfeld zu schaffen, in dem sich auch ihre queeren Beschäftigten wohl und angenommen fühlen:
- der Beiersdorf Konzern mit dem Netzwerk „Be You @Beiersdorf“ speziell für queere Mitarbeitende,
- die REWE Group mit dem LGBTIAQ+-Netzwerk di.to (“different together”),
- die Deutsche Bahn mit ihrer Kampagne „Einziganders“ sowie
- die Stadt Stuttgart mit einem interdisziplinären Arbeitskreis, der mit Vertreter*innen der städtischen Verwaltungsbereiche sowie Personen aus der örtlichen LGBTIAQ+-Community besetzt ist.
* Queer ist eine positive Selbstbezeichnung von Menschen, die sich als nicht heterosexuell begreifen und/ oder nicht cis-geschlechtlich sind. Der Begriff wird oft auch als Synonym für Angehörige der LGBTIAQ+-Community benutzt.
Beschreibung des Artikelbildes: Vor einem Gebäude weht eine Fahne der LGBTIAQ+-Bewegung. Sie enthält neben dem klassischen Regenbogen auch ein Dreieck: Dessen schwarze und braune Streifen gelten als Zeichen gegen Rassismus und Ausgrenzung von People of Color (PoC), bei den Streifen in Weiß, Rosa und Hellblau handelt es sich um die Trans* Pride Flagge. Der lilafarbene Kreis auf gelbem Grund steht für alle Menschen, die inter* sind.