Herr Büscher, warum sollten Unternehmen das Thema Übergang in den Ruhestand aktiv ansprechen?
Ich spreche gerne von einem altersphasenbezogenen Mitarbeitendengespräch. Denn es geht um die bewusste Gestaltung einer besonderen Lebensphase. Anders als im klassischen Mitarbeitendengespräch stehen hier nicht mehr primär Karriere- oder Aufstiegsfragen im Vordergrund, sondern eine bewusste Entwicklungsgestaltung der verbleibenden Jahre im Erwerbsleben.
Warum ist ein Perspektivgespräch so wichtig?
Für die Mitarbeitenden gilt: weil sie die Chance bekommen, ihre Übergangsphase aktiv mitzugestalten. Ich erlebe immer wieder, dass dieses Thema bis zum letzten Arbeitstag verdrängt wird. Ein Perspektivgespräch hilft, sich frühzeitig damit auseinanderzusetzen. Im Dialog mit der Führungskraft wird besprochen, wie sich die letzten Arbeitsjahre so gestalten lassen, dass Gesundheit, Lebens- und Arbeitsqualität gesichert bleiben. Davon profitiert auch das Unternehmen, weil ältere Beschäftigte motiviert und leistungsfähig bleiben und ihr Wissen bis zum letzten Tag einbringen. Perspektivgespräche sind eben keine Abschiedsgespräche, sondern eine Chance für Mitarbeitende und Unternehmen.
Wann sollte man mit Perspektivgesprächen anfangen?
Eine Faustregel sind fünf bis sieben Jahre vor dem geplanten Renteneintritt. Wichtig ist: Es handelt sich nicht um ein einmaliges Gespräch, sondern um einen Prozess. Perspektivgespräche sollten sich regelmäßig, zum Beispiel eingebettet in die jährlichen Mitarbeitendengespräche, wiederholen und die jeweilige Situation aufnehmen.
Wie sollten Führungskräfte so ein Gespräch angehen?
Entscheidend ist Wertschätzung. Beschäftigte sollen spüren: Mein Beitrag ist weiterhin wichtig. Gelingt das, fällt es ihnen leichter, sich mit dem Ausstieg aus dem Arbeitsleben auseinandersetzen: Was kann ich noch, was will ich noch? Dabei ist auch wichtig, Normalität zu vermitteln. Das Ende des Arbeitslebens ist kein Drama, sondern ein normaler Abschnitt, den man gemeinsam gestalten kann. Auf dieser Basis lassen sich dann konkrete Vereinbarungen treffen, etwa zur Weitergabe von Wissen oder zu einer neuen Rolle im Team. Manche können vielleicht verstärkt bei Projekten beraten, andere Führungsaufgaben Stück für Stück an den Nachwuchs abgeben und so helfen, dass dieser in die neue Rolle hineinwächst.
Welche Themen gehören auf den Tisch?
Sehr unterschiedlich. Manche Beschäftigte möchten sich in den letzten Jahren noch einmal stark einbringen, andere wollen es ruhiger angehen. Die Aufgabe für Führungskräfte besteht darin, beide Gruppen ernst zu nehmen. Beschäftigte, die weniger wollen, gilt es „bei der Stange zu halten“, denn Unternehmen haben ein berechtigtes Interesse an der Arbeitskraft. Gleichzeitig sollen die, die noch viel einbringen möchten, gezielt unterstützt werden. Lebenslanges Lernen spielt auch in dieser Phase eine große Rolle für die Motivation, geistige Fitness und Wertschätzung.
Zum Abschluss: Welchen Tipp würden Sie Unternehmen beim Umgang mit älteren Beschäftigten unbedingt mit auf den Weg geben?
Meine Erfahrung zeigt, dass Unternehmen oft die Ressourcen älterer Beschäftigter unterschätzen – etwa Erfahrung, Netzwerke, Verantwortungsbewusstsein. Wer diese Potenziale bewusst nutzt, gewinnt. Das gelingt nur, wenn die Betroffenen nicht „gemanagt“, sondern als Beteiligte eingebunden werden. Ein Perspektivgespräch kann hierfür genau das richtige Instrument sein.
Sechs INQA-Tipps für erfolgreiche Perspektivgespräche
Würdigen Sie die Erfahrung und das Engagement älterer Mitarbeitender und kommunizieren Sie klar, dass diese noch gebraucht werden. Das reduziert Ängste und signalisiert: Es geht nicht um das Ende, sondern um die Möglichkeiten, die diese Lebensphase bereithält.
Welche körperlichen Belastungen sind noch tragbar? Gibt es Tätigkeiten, die nicht mehr gehen? Anpassungen am Arbeitsplatz wie höhenverstellbare Tische oder Hilfsmittel können gesundheitlich entlasten – und Mitarbeitende gesund und leistungsfähig halten.
Beginnen Sie frühzeitig damit, das wertvolle Erfahrungswissen älterer Mitarbeitender zu sichern, etwa durch Tandems zwischen jungen und erfahrenen Kolleg*innen oder Exit-Interviews. Auch altersgemischte Teams sind eine gute Möglichkeit, Wissen an nachfolgende Generationen weiterzugeben.
Vor Renteneintritt stellen sich Mitarbeitenden viele finanzielle und organisatorische Fragen. Nehmen Sie ihnen die Unsicherheit, indem Sie auf Unterstützungsangebote verweisen, z.B. durch die Personalabteilung im Unternehmen oder durch externe Anlaufstellen wie die Rentenberatung.
Wer bald viel mehr Zeit zu Hause verbringt, muss seinen Alltag neu sortieren – das kann Stress verursachen und die Arbeit negativ beeinflussen. Sie können gegensteuern und den Übergang erleichtern, z.B. indem Sie Mitarbeitende in ähnlicher Situation zusammenbringen und den Austausch fördern.