Frau Hunold, wie kam es zur Teilnahme der Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) am INQA-Experimentierraum?
Wir hatten uns im Unternehmen gefragt, wie wir künftig mit anstehenden Herausforderungen umgehen wollen. Dazu zählen zum Beispiel die Digitalisierung, die Technologisierung, der Fachkräftemangel – aber auch das Aufeinandertreffen von verschiedenen Generationen im Unternehmen sowie der Wertewandel, der damit einhergeht. Der INQA-Experimentierraum erschien uns als ein geeigneter Weg, einmal zu schauen, wo wir stehen, was die Bedürfnisse unserer Belegschaft sind – und wie wir gute und passende Lösungen entwickeln können.
Welche Ideen haben Sie während des MADAM-Projektes erarbeitet?
Ein Wissens- und Lerncampus für alle Beschäftigten ist eine davon, das Thema Mobile Arbeit für die Mitarbeitenden aus der Verwaltung eine andere. Zwei weitere Ideen richten sich speziell an unser Fahrpersonal: Das ist zum einen eine digitale partizipative Dienstplangestaltung, bei der die Beschäftigten mehr Einfluss auf ihren eigenen Dienstplan erhalten. Dies geschieht zum Beispiel durch neue Algorithmen oder eine erweiterte Eingabemaske. Die zweite Idee beschäftigt sich mit Wertschätzung – ein Thema, das sich erst während des Projektes als relevant erwies. Ursprünglich stand bei uns die Überlegung im Fokus, die Mitarbeitenden aus dem Fahrservice besser mit dem Unternehmen und auch untereinander zu vernetzen.
Warum haben Sie das Thema Wertschätzung in den Fokus genommen?
Wir beschäftigten uns im Rahmen des Projektes mittels der Methode des Design Thinkings ganz intensiv mit den Bedürfnissen unseres Fahrpersonals. Aus diesen Erkenntnissen entwickelten wir verschiedene fiktive Personas. Zum Beispiel unsere Steffi, die sich wünscht, dass an ihrem Arbeitsplatz alles ein bisschen effektiver abläuft. Daneben gibt es den Sven, der sich mehr persönliche Kommunikation bei der Arbeit erhofft und als Dritten im Bunde Kai-Uwe, dem es an Sichtbarkeit, Anerkennung, Wertschätzung und Lob im Job fehlt. Mit ihm konnten sich viele Mitarbeitende besonders gut identifizieren. So stellten wir dann fest, dass viele von ihnen das Gefühl haben, dass die Fahrgäste sie und ihre Arbeitsleistung gar nicht wahrnehmen. Das Thema Wertschätzung fanden wir so wichtig, dass wir es aufgriffen.
Welche Lösungen haben Sie gefunden, um mangelnder Wertschätzung zu begegnen?
Unser Ansatz war zunächst, die Sichtbarkeit unserer Beschäftigten zu steigern, indem wir den Fahrgästen deren tägliche Herausforderungen zeigen. Das erwies sich jedoch als technisch zu aufwendig. Darum haben wir beschlossen, dass sich die Fahrer*innen selbst sichtbarer machen, indem sie an ihrem Arbeitsplatz ihr Mikrofon stärker einsetzen und dadurch das Interesse der Fahrgäste wecken. Besonders in der Straßenbahn sind sie kaum wahrnehmbar, wenn sie in der Kabine sitzen und ihren Job ausüben. Wir wollten allerdings auch nicht, dass es künstlich wirkt oder festgelegte Phrasen zum Einsatz kommen. Es soll einfach zum jeweiligen Menschen und zur Situation passen. Darum haben wir unsere Idee mit einer Gruppe von Fahrer*innen getestet, die wir vorab durch einen Radiomoderator am Mikrofon schulen ließen. Zusätzlich haben wir in den Bussen und Bahnen Karten aufgehängt, auf denen die Fahrgäste einen persönlichen Kommentar oder ein Lob hinterlassen konnten. Das ging analog oder digital, in dem man einen QR-Code scannte.
Was sagen Sie im Rückblick? Sind Sie zufrieden mit den Lösungen, die Sie entwickelt und umgesetzt haben? Führen sie zu mehr Wertschätzung?
Ja, tatsächlich sehr. Wir hätten zum Beispiel nicht gedacht, dass wir über die Karten so viel positives Feedback auf unsere Aktion bekommen würden. Das Bild der Menschen von unseren Fahrenden und der LVB ist besser als gedacht. Auch die verstärkten Durchsagen wurden gut angenommen. Das Interesse an der Arbeit des Fahrpersonals scheint gestiegen zu sein. Und für die Fahrenden waren diese kleinen Gesten der Wertschätzung für ihre harte Arbeit auch eine schöne Erfahrung. Außerdem hat das Mikrofontraining ihre Motivation gefördert, Durchsagen zu machen, was auch wieder zu mehr Sichtbarkeit führt.
Was geschah mit den Ergebnissen?
Wir stellten sie unserer Geschäftsführung und weiteren Führungskräften vor. Unsere Arbeit wurde von ihnen sehr positiv aufgenommen, viele unserer Ergebnisse sollen nun in die Praxis umgesetzt werden. Außerdem entwickelten wir eine Präsentation, sowie einen Handlungsleitfaden. Wir hoffen, dass die Schulung am Mikrofon künftig Teil der Aus- und Fortbildung unseres Fahrpersonals sein wird und dabei hilft, dass sie künftig mehr Wertschätzung und Anerkennung am Arbeitsplatz erhalten – und vielleicht sogar mal das eine oder andere Lob.
Welche Rolle hat die Förderung durch INQA für das Projekt gespielt?
Eine sehr wichtige Rolle! Ohne die Förderung durch INQA hätten wir das Projekt nicht oder jedenfalls nicht in diesem Rahmen durchführen können. Darüber hinaus haben wir vom INQA-Netzwerk und der externen Evaluierung profitiert und den daraus gewonnenen Anregungen und Impulsen für die weitere Projektarbeit.
Noch mehr Wissenswertes zum INQA-Experimentierraum MADAM findet sich auf der Website des Projektes. Daneben bietet der MADAM Wegweiser praxisnah aufbereitete Informationen zur Methode des Design Thinkings.
*Beate Hunold war bis Januar 2022 Projektleiterin von MADAM. Seitdem führt sie als Projektmanagerin Digitaler Wissens- und Lerncampus einen Teil der Arbeit aus dem INQA-Experimentierraum bei der LVB fort.