Herr Pucker, derzeit sind viele Selbstständige und Inhaber*innen von kleinen Unternehmen besorgt, ob und wie es mit dem eigenen Betrieb weitergeht. In der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 haben Sie selbst so etwas schon einmal mit Ihrer eigenen Firma erlebt. Was hat Ihnen damals am meisten geholfen?
Vor der Krise ging es meiner Firma wirtschaftlich gut. Gerade waren wir in ein neues Gebäude gezogen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat mich eiskalt erwischt. Schlagartig gab es weniger Aufträge. Zunächst wusste ich nicht, wie ich reagieren sollte: So etwas war mir noch nie passiert. Dann habe ich mir Hilfe geholt und mich an die Industrie- und Handelskammer gewandt. Ich wurde an einen Unternehmensberater vermittelt. Die Zusammenarbeit mit ihm hat mir damals sehr den Rücken gestärkt. Er stand mir die ganze Zeit über zur Seite und hat mich dank seiner Erfahrung mit solchen Situationen durch die Krise gelotst. Das hat mir sehr geholfen. Ganz alleine, als kleines Unternehmen kann man solche existenziellen Krisen wie die Finanz- und Wirtschaftskrise oder aktuell eine Pandemie nur schwer meistern. Vor allem für Einzelkämpfer*innen ist das hart. Deshalb sollte man sich schnell professionelle Unterstützung holen.
Was raten Sie Selbstständigen und Unternehmer*innen aus Ihrer persönlichen Erfahrung? Was können sie aktuell tun?
Bei Zahlungsschwierigkeiten hat sich Offenheit immer bewährt. Das möchte ich allen nahelegen, die sich heute in einer ähnlichen Situation befinden: Sprecht direkt mit Lieferanten und Vertriebspartner*innen, um neue Zahlungsziele oder Ratenzahlung zu vereinbaren. Vieles lässt sich im Vorfeld klären oder anders leiten. Anfangs war das für mich nicht leicht. Aber mir wäre es ja auch lieber, wenn mich ein Kunde in Zahlungsverzug direkt anspricht. Also habe ich zum Hörer gegriffen und das Gespräch gesucht. Außerdem ist es wichtig, offen zu sein für alternative Ideen und Produkte. Man kann eine Krise kreativ nutzen, um das eigene Portfolio zu erweitern, indem man z.B. ein neues Produkt entwickelt und anbietet. Das gibt einem das Gefühl, nicht auf der Stelle zu stehen. Ich habe damals z.B. Ersatzteile für den Motorsport gemacht und konnte so aus einem Hobby heraus etwas für meinen Job entwickeln. Außerdem habe ich die Zeit genutzt, um passende Zusatzleistungen zu entwickeln, Kunden zu binden und neue zu gewinnen, kurz: um ein Sorglospaket für den Kunden zu schnüren. Ich bin damals leider auch in die Situation gekommen, Beschäftigte entlassen zu müssen. Das hat schwer an mir genagt, aber zum Glück konnte ich alle betroffenen Mitarbeiter*innen an bekannte Betriebe vermitteln.
Wie wichtig ist es in so einer Situation, einen kühlen Kopf zu bewahren? Und wie gelingt das?
Man darf den Kopf nicht hängen lassen und innerlich resignieren. Das hört sich zwar wie eine Floskel an, ist aber in einer beruflichen Krise wirklich wichtig. Viel Rückhalt habe ich in meiner Familie gefunden. So hat meine Frau im Büro beispielsweise das Backoffice erledigt. Dadurch hatte ich den Kopf frei für andere Tätigkeiten und habe mich nicht verzettelt. Entscheidend sind auch gute Geschäftspartner*innen. Mit ihnen kann man sich Aufgaben aufteilen und gemeinsam gute Ideen für neue Produkte oder Marketingaktionen entwickeln. So hängt nicht alles an einer Person. Ich hatte damals einen guten Ausbilder im Betrieb. Der gab mir den Tipp: Mach dir eine To do-Liste mit Dingen, die wirklich wichtig sind, und arbeite die ab; sei es in der Fertigung, in der Konstruktion oder auch im Büro. So habe ich Vieles einfach abhaken und mich neuen Aufgaben zuwenden können.
Was war Ihnen in der Krise von 2009 persönlich besonders wichtig, worauf haben Sie besonderen Wert gelegt?
Der Umgang mit einer existentiellen Krise ist eine starke psychische Belastung. Es ist wie in einer Endlosschleife: Jeden Tag kommen neue Sorgen hinzu. Kein Kapitel lässt sich richtig abschließen. Schnell ist auch der Samstag für das Geschäft eingeplant. Hinzu kommen Ängste und finanzielle Sorgen wie etwa ein Hausbau und Verpflichtungen gegenüber der Familie, den Kindern. Nicht abschalten können belastet schwer. Deshalb habe ich mir einen Ausgleich zur Arbeit gesucht: Sport machen oder mit der Familie ins Grüne oder in die Eisdiele fahren. Diesen Cut musste ich bewusst herbeiführen! Ich bin damals viel mit meinem Hund unterwegs gewesen oder habe mir Hausarbeiten gesucht. Das hat mich auf andere Gedanken gebracht. Mal ganz anderes machen, um abzuschalten und den Kopf frei zu kriegen. Jede*r muss da eigene Strategien entwickeln, um runterzukommen und ein Gegengewicht zur Arbeit zu schaffen. Dann schafft man es, erfolgreich einer Krise zu trotzen.
Herr Pucker, vielen Dank für das Interview!
Carsten Pucker ist Geschäftsführer der Pucker GmbH in Halle, Westfalen. Das Unternehmen hat sich auf die Be- und Verarbeitung von Metall- und Kunststoff spezialisiert.