Was es sich über die Psyche zu wissen lohnt
Für die meisten Menschen gehört es zum Alltag, auf ihre körperliche Gesundheit zu achten. Dazu gehört nicht nur die tägliche Körperhygiene, viele von uns versuchen, sich regelmäßig zu bewegen, tragen einen Schrittzähler bei sich und wissen zumindest, dass sie sich eigentlich gesund ernähren sollten. Unsere psychische Gesundheit dagegen nehmen wir meist erst dann in den Blick, wenn etwas aus der Balance geraten ist. Wenn uns beispielsweise negative Gedanken den Schlaf rauben, uns vor Angst erstarren lassen oder jeden Antrieb lähmen. Ein Loch im Zahn entsteht nicht von heute auf morgen - und auch psychische Symptome nicht über Nacht.
Was unser psychisches Wohlbefinden beeinflusst
Unsere Psyche wird durch unterschiedliche Faktoren beeinflusst. Eine wichtige Rolle für die psychische Gesundheit spielen soziale Einflüsse, wie unser Wohn- und Arbeitsumfeld und selbstverständlich auch unsere persönlichen Beziehungen. Diese verschiedenen Einflüsse treffen bei jedem von uns auf eine unterschiedliche Disposition aus genetischen Anlagen und biografischen Erfahrungen.
Im Alltag empfinden wir diese unterschiedlichen Einflüsse oftmals auch als Stress. Stress ist zunächst einmal nichts Negatives, sondern kann antreiben und stimulieren. Doch wenn Stress uns über den Kopf wächst und zu Erschöpfung wird, ist dies für viele Menschen nicht immer leicht zu erkennen und sich dies einzugestehen.
Ist es normal, dass es mir so geht? / Geht es nur mir so?
Psychische Gesundheit ist kein statischer Zustand, sondern ein ständiger Balanceakt. Ausdruck dieser Balance oder vielmehr unserer kontinuierlichen Arbeit daran, die Balance zu halten sind Schwankungen der Stimmung. Auch intensivere Reaktionen auf besonders ungewöhnliche Ereignisse gehören dazu.
Im Unterschied zu unserer Körperwahrnehmung spielt beim Erleben und Erkennen psychischer Empfindungen immer auch unsere persönliche Deutung eine Rolle. Kopfschmerzen haben wir – traurig sind wir. Das klingt als könnten wir durch unsere persönliche Willenskraft beeinflussen, wie es uns psychisch geht. „Viele Ratgeber zu allen Themen suggerieren, dass mit guter Organisation alles zu schaffen ist“ erklärt Svenja Stadler, MdB, und Kuratoriumsvorsitzende des Müttergenesungswerks.
Diese Annahme sorgt dafür, dass wir die Symptome, die unsere Psyche hervorruft lange ertragen, bevor wir sie als Erschöpfung wahrnehmen und im besten Fall nach Unterstützung suchen. „In vielen Fällen lassen sich Symptome und belastende Einflüsse, die einer psychischen Erkrankung erst den Weg bereiten, über einen sehr langen Zeitraum zurückverfolgen“ berichtet der Psychiater Prof. Mazda Adli im Interview aus der klinischen Praxis. Als Stressforscher weiß er: Es geht dabei nicht um eine persönliche Schwäche, der wir hilflos ausgeliefert sind, sondern wir können lernen, Hinweise früh zu bemerken und darauf zu reagieren.“ Dafür müssen wir lernen, unser psychisches Frühwarnsystem zu verstehen und auch lernen, die Signale achtsam wahrzunehmen. Es gibt keinen objektiven Messwert für gesunde oder kranke Gefühle. Als Kriterium müssen uns Intensität, Dauer und die subjektiv erlebte Abweichung von unserer Erfahrungen dienen.
Resilienz – das neue Zauberwort
Faktoren, die einen Einfluss darauf haben, was uns psychisch stabil hält, erforscht Prof. Dr. Klaus Lieb am Leibniz-Institut für Resilienzforschung (LIR). Grundsätzlich verfügen Menschen über stabile – auch psychische Abwehrkräfte und können resilient selbst mit schwierigen Problemen umgehen. Das bedeutet (leider) nicht, dass resiliente Menschen stets fröhlicher Stimmung sind.
Der Begriff Resilienz stammt aus der Werkstoffkunde und beschreibt vielmehr, ob und wieweit sich ein Werkstoff verformen lässt und dennoch in seine ursprüngliche Form zurückfindet. Auf unsere psychische Gesundheit bezogen meint Resilienz also die Fähigkeit wieder eine Balance herzustellen. „Dabei geht es nicht um Perfektionierung“ betont Lieb, „auch die Veränderung der Lebensumstände, die unzumutbaren Stress und Belastung für den Einzelnen mit sich bringen, hat eine hohe Bedeutung, damit wir psychisch gesund bleiben“. Mehr zum Thema Resilienz finden Sie im Interview mit Prof. Dr. Klaus Lieb.