Gesundheit 2 Minuten Lesezeit Mob­bing am Ar­beits­platz: Wie Kol­leg*in­nen Be­trof­fe­ne un­ter­stüt­zen kön­nen Startseite Themen Gesundheit Psychische Gesundheit am Arbeitsplatz
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Andreas Saßmannshausen ist Arbeitspsychologe und seit über 20 Jahren Berater bei der Servicestelle der MobbingLine NRW, die vom Institut ASER e.V. (Wuppertal) im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW betrieben wird. Er begleitet Betroffene von Mobbing am Arbeitsplatz und unterstützt Unternehmen dabei, ein gesundes Arbeitsumfeld zu schaffen. Im Interview mit INQA erklärt Saßmannshausen, wie Kolleg*innen Betroffene stärken können, welche Verhaltensweisen die Situation verschlimmern könnten und was Unternehmen tun können, wenn es trotz Präventionsmaßnahmen zu Mobbingfällen kommt.

Herr Saßmannshausen, inwieweit beeinflusst Mobbing das gesamte Team und nicht nur die betroffene Person? Gibt es messbare Auswirkungen auf z.B. die Teamdynamik oder die Zusammenarbeit?

Mobbing beschränkt sich nicht auf die betroffene Person, sondern wirkt sich auf die gesamte Teamdynamik aus. In unseren Beratungsgesprächen an der MobbingLine spüren wir deutlich, wie gravierend die Auswirkungen nicht nur auf das Befinden und die Gesundheit der Betroffenen, sondern auch auf das Zusammenleben im Betrieb sein können. Die Teamdynamik und die Zusammenarbeit leiden oft stark. Allerdings ist es schwierig, diese Auswirkungen statistisch klar zu erfassen, da Betroffene in den Erstgesprächen verständlicherweise eher zögerlich mit detaillierten Informationen sind.

Was können Kolleg*innen tun, um Betroffenen zu helfen und sie zu unterstützen? Gibt es bestimmte Verhaltensweisen oder Handlungen, die besonders hilfreich sind?

Das Wichtigste ist, Betroffenen zunächst ein offenes Ohr zu schenken und ihnen Rückhalt zu geben. Das kann im familiären Umfeld geschehen, aber natürlich auch im betrieblichen Kontext. Kolleg*innen sollten nicht wegsehen, sondern Betroffenen den Rücken stärken. Idealerweise bezeugen sie die Mobbing-Handlungen. Sofern vorhanden, sollten sich Betroffene darüber hinaus an Betriebs- oder Personalräte, soziale Ansprechpartner*innen oder Integrationsbeauftragte wenden. Auch externe Unterstützung ist wichtig. Mobbing-Hotlines, wie die MobbingLine NRW, aber auch in anderen Bundesländern, bieten niederschwellige und vertrauliche Beratung und Unterstützung, um die Ratsuchenden zu stärken und ihnen „Hilfe zur Selbsthilfe“ zu geben.

Ein wichtiger Schritt ist die Dokumentation von Mobbingvorfällen in einem Mobbing-Tagebuch. So können Betroffene Beweise sammeln und Gespräche mit Vorgesetzten, Betriebs- oder Personalräten und der Personalabteilung führen. Die Anwesenheit von Kolleg*innen oder Betriebsratsmitgliedern bei solchen Gesprächen kann als Zeug*innenfunktion und Unterstützung dienen.

Gibt es bestimmte Verhaltensweisen oder Reaktionen von Kolleg*innen, die die Situation möglicherweise verschlimmern oder die Betroffenen noch mehr belasten könnten?

Ja, man muss hier differenzieren, wie sich Mobbing im Gesamtbetrieb darstellt. Ist zum Beispiel die Führungskraft in den Mobbingfall involviert oder duldet sie diesen, kann es für Kolleg*innen schwierig sein, offen Unterstützung anzubieten. Eine „unter der Hand“ angebotene Hilfe ist in solchen Fällen nicht ratsam. Stattdessen ist es wichtig, Unterstützung von Betriebsräten, Personalräten und Führungskräften einzufordern. Diese tragen die Verantwortung für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld.

Gleichzeitig ist es wichtig, zu betrachten, wie sich Mobbing im Einzelfall darstellt. Wir hören sehr häufig, dass nicht immer nur eine Person betroffen ist. Daher ist es auch für uns als Berater*innen entscheidend, die individuelle Situation zu betrachten und gemeinsam mit den Betroffenen den bestmöglichen Hebel zur Verbesserung der Situation zu finden. Mobbing äußert sich auf unterschiedlichste Arten und Weisen und in verschiedensten Konstellationen.

Von den Betroffenen als besonders belastend werden Situationen eingeschätzt, in denen Führungskräfte oder Kolleg*innen offensichtliche Mobbinghandlungen nicht als solche wahrnehmen oder verharmlosen und somit zu einer weiteren Eskalation beitragen.

Was können Unternehmen tun, wenn es trotz Präventionsmaßnahmen zu Mobbinghandlungen kommt?

Mobbing kann jede*n treffen, unabhängig von der Position im Betrieb. Es ist daher wichtig, dass Unternehmen sich des Themas annehmen und Betroffene nicht mit ihrer Situation allein lassen. Die Verantwortung liegt bei den Führungskräften, ein Auge auf das Konfliktgeschehen zu werfen und sicherzustellen, dass allgemeine Arbeitsschutzmaßnahmen eingehalten werden.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jeder Konflikt gleich Mobbing ist. Dennoch ist es oft ein Zusammenspiel vieler Faktoren, das zu Mobbing führt. Dazu gehören nicht nur verbale Angriffe, ständiges Meckern und Kritik, Brüllen, unqualifizierte Aufgaben oder die Versetzung in weit entfernte Abteilungen, sondern teilweise auch strafrechtlich relevante Handlungen, zum Beispiel Beleidigungen, Sachbeschädigungen und ähnliches.

Nach unserer Einschätzung ist das Thema Mobbing aktueller denn je. Die wirtschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Veränderungen der letzten Jahre haben sich auch auf die Beschäftigten massiv ausgewirkt. Die Arbeitsunfähigkeits- und Frühverrentungszahlen aufgrund psycho-sozialer Belastungen steigen ständig. Mobbing und fehlendes Konfliktmanagement sind in Zeiten des Arbeits- und Fachkräftemangels strategische Risikofaktoren für Betriebe und Verwaltungen.

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