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Das Projektteam des INQA-Experimentierraums KI_Café schickt die Beschäftigten zweier Unternehmen auf Entdeckungstour der Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI). Im KI_Café lernen sie, wie sich die Produktion optimieren lässt und welche Kultur technologischer Wandel erfordert. Wir haben nachgefragt, wie das funktioniert.

Ob für Zigaretten, Hygieneartikel oder Windeln: Der Maschinenhersteller Focke produziert maßgefertigte Verpackungsanlagen für Artikel verschiedener Branchen. 1200 Mitarbeitende arbeiten am Standort im niedersächsischen Verden. „Eines unserer großen Ziele ist, möglichst wirtschaftlich zu arbeiten. Der Werkzeugverschleiß ist dabei ein wichtiges Thema“, sagt Peter Schuh, Leiter Fertigung und Prototypenbau bei Focke. „Allein das Werkzeug kostet uns jährlich mehrere Hunderttausend Euro. Achten Mitarbeitende zum Beispiel darauf, Fräswerkzeuge zum richtigen Verschleißpunkt zu entsorgen, kann das Unternehmen sparen.“ Allerdings ist genau das herausfordernd, denn: Zuständige beurteilen den Werkzeugverschleiß subjektiv. „Manche sind vorsichtig und wechseln Fräser eher aus. Andere sind großzügiger, tauschen erst spät aus“, sagt er. „Eine feste Richtlinie gibt es nicht.“ Gemeinsam mit der Universität Bremen und dem Einzelteilehersteller Stubbe, ein Zulieferbetrieb von Focke, beschäftigt sich das Unternehmen im Rahmen des Experimentierraums KI_Café mit Künstlicher Intelligenz (KI). Eine der zentralen Fragestellungen ist, wie mit Hilfe von KI Anwendungsprozesse optimiert werden können.

Wie gelingt es, KI im produzierenden Gewerbe einzuführen? Wie meistern Unternehmen den Wissenstransfer und holen Mitarbeitende dabei ab? Wie ist es möglich, am Ende einen echten Mehrwert für alle zu schaffen? Kirsten Tracht, Professorin am Lehrstuhl für Montage und Produktionsgestaltung beim Bremer Institut für Strukturmechanik und Produktionsanlagen (bime), sprach im Herbst 2020 mit den Verantwortlichen beider Unternehmen, um erste Eindrücke zu erhalten. Die heutige Projektleiterin des KI_Cafés wollte herausfinden, wie Produktionsunternehmen ein niedrigschwelliger Zugang zum Wissen über KI gelingen kann. Schnell stand fest: Es braucht einen Praxisbezug. „Das Anwendungsfeld der Werkzeugschneidenbeurteilung geht alle produzierenden Unternehmen etwas an. Quasi jedes produzierende Unternehmen jedweder Größe hat eine spannende Fertigung und damit einen Anknüpfungspunkt für KI im beruflichen Erfahrungskontext“, betont Professorin Tracht. Und so entstand die Idee des Experimentierraums KI_Café: gemeinschaftlich und praxisnah sollte ein kleines Projektteam einen Handlungsleitfaden für künftige Kommunikations- und Lehrkonzepte entwickeln, mit dem KMU künftig selbst KI einführen können. Und als praktisches Beispiel, wie KI entstehen kann, entwickelt das bime-Forscherteam parallel einen Prototypen einer automatischen Bildanalyse, die den Abnutzungsgrad von Fräsen beurteilt. Ist das Werkzeug zu einem bestimmten Grad abgenutzt, schlägt das System Alarm.

Gemeinsam und auf Augenhöhe im Einsatz für KI

Nach dem Start im September 2020 setzten die drei Partner eine übergreifende Projektgruppe auf, bestehend aus Vertreter*innen der Universität sowie der beiden Unternehmen. Neben Führungskräften waren Mitglieder der Betriebsräte bei den wöchentlichen Treffen dabei, um die Belange der Beschäftigten einzubringen. Zu Beginn des Projekts wurden die Mitarbeitenden befragt, zum Beispiel zu ihrer Einstellung gegenüber KI. „Im produzierenden Gewerbe gibt es regelmäßig neue Technologien und Prozesse. Für die Beschäftigten ist ein ständiger Wandel normal“, sagt Tracht. „Das zeigte sich auch bei Focke und Stubbe. Zur Freude der gesamten Projektgruppenmitglieder sind ihre Mitarbeitenden sehr neugierig auf KI.“

KI zum Anfassen – mitten in der Produktionshalle

Doch was bedeutet das konkret? Um das zu erfahren, haben die Zuständigen KI-Workshops initiiert. Dazu baute das Team für mehrere Tage in beiden Unternehmen einen KI-Experimentierraum auf – eine freigeräumte Fläche inmitten der Produktionshallen zwischen laufenden Maschinen. In einer Ecke: der Prototyp der angestrebten Bild-Analyse in seiner ersten Version. Hier konnten Mitarbeitende ihn ausprobieren. In den weiteren Ecken fanden sie eine VR-Brille, mit der sie durch virtuelle Welten „reisen“ konnten, in der nächsten eine Kaffeemaschine inklusive KI-basierter Spracherkennung. Außerdem konnten sie mithilfe eines Tablets hunderte Legosteine scannen und sich via Touch verschiedene Bauanleitungen dafür erstellen lassen. „Der Experimentierraum kam sehr gut an und hat gezeigt, wer wie viel Erfahrung mit KI hat, wer der Technologie gegenüber offen und wer vielleicht noch skeptisch ist“, berichtet Mathias Haas, Programmierer und KI_Café-Projektleiter bei Focke. Während des gesamten Workshops standen Ansprechpartner*innen der Universität sowie aus beiden Unternehmen bereit, um offene Fragen oder Bedenken der Beschäftigten zu klären. Die Wissenschaftler*innen notierten zusätzlich, wie sie die Beschäftigten beim Umgang mit den KI-Anwendungen wahrgenommen haben. Ihre Eindrücke lassen sie nun in ihre weitere Forschungsarbeit einfließen.

Können auch kleinere Unternehmen von KI profitieren?

KI geht alle Unternehmen etwas an, auch und vor allem die kleineren. Davon ist Thorsten Schweers überzeugt. Er ist Geschäftsführer beim Zulieferer Stubbe in Bremen. „Als unser Kunde, das Unternehmen Focke, uns angesprochen hat, ob wir beim KI_Café mitmachen wollen, haben wir nicht lange überlegt“, sagt er. „Die Zusammenarbeit mit der Wissenschaft und einem großen Partner wie Focke gibt uns die Möglichkeit, uns übergreifend mit dem Thema KI in Unternehmen zu beschäftigen.“ Seitdem das Projekt bekannt ist und Mitarbeitende den Workshop besuchen konnten, wird Schweers immer wieder auf die intelligente Technologie und deren Möglichkeiten angesprochen. „Fast alle finden den Einsatz und den Fortschritt klasse“, sagt er.

Neue Wege, um Wissen zu vermitteln

Das Prinzip des KI_Cafés mitsamt seines KI-Workshops begeistert – so sehr, dass Focke-Führungskräfte überlegen, es für künftige, neue Themen zu adaptieren. „Mit diesem spielerischen Prinzip, bei dem man sich unabhängige Leute – wie in diesem Fall Wissenschaftler*innen – mit ins Haus holt, kann man wunderbar kritische, angstbehaftete oder ganz unbekannte Themen in Angriff nehmen“, sagt Projektleiter Haas. Er findet das KI_Café mitsamt seiner offenen Kommunikation und seinem proaktiven Ansatz, alle Beteiligten frühzeitig in Entscheidungsprozesse einzubeziehen, vielversprechend. Dadurch werde viel Unmut ausgeräumt, da Prozesse nicht einfach „von oben herab“ verordnet werden. Schuh ergänzt mit einem praktischen Vergleich: „Wir führen Brandschutzmaßnahmen ein, anstatt im Nachhinein große Brände zu löschen. Diese Methode wird sich langfristig bewähren.“

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