Nach längerer Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit kann es für Mitarbeitende schwierig sein, an ihren alten Arbeitsplatz zurückzukehren. Viele Beschäftigte, die aufgrund einer Erkrankung eine Zeit lang arbeitsunfähig waren, stellen sich die Frage: Wird es mir gelingen, im Beruf wieder Fuß zu fassen? Die stufenweise Wiedereingliederung (STWE) erleichtert den Wiedereinstieg. Sie wird auch “Hamburger Modell” genannt. Entstanden ist sie jedoch nicht in der Hansestadt, sondern beim Siemens-Konzern in München. Aufgrund ihres Erfolges wurde die Maßnahme später vom Gesetzgeber adaptiert. Sie ermöglicht es Beschäftigten, schrittweise an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Die Arbeitszeit wird dabei nach und nach erhöht. Arbeitgeber müssen ein betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) anbieten, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin innerhalb eines Jahres mehr als 42 Tage arbeitsunfähig war. Beschäftigte haben Anspruch auf einen Stufenplan, ihre Teilnahme ist jedoch freiwillig.
Ziele der Stufenweisen Wiedereingliederung (STWE)
Das Hauptziel der STWE ist es, einen Weg aus der Arbeitsunfähigkeit aufzuzeigen, die Arbeitsbelastung Schritt für Schritt zu steigern und so eine erneute und vollständige Teilhabe am Arbeitsleben zu ermöglichen. Der oder die Mitarbeitende soll die alte Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit nach Möglichkeit wieder erreichen und wieder vollständig in den Arbeitsalltag integriert werden. Manche Beschäftigte, die wegen ihrer Erkrankung über viele Wochen vom Arbeitsalltag ausgeschlossen waren, leiden unter Versagensängsten oder haben Sorge, ihre Krankheit könnte sich durch die Arbeit wieder verschlechtern. Die stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell erlaubt es ihnen, solche Ängste abzubauen und sich stufenweise an die eigene Belastbarkeitsgrenze heranzutasten. Die Wiedereingliederung kann auch zu jeder Zeit wieder abgebrochen und so eine erneute Überforderung am Arbeitsplatz vermieden werden.
Welche Voraussetzungen braucht es?
Um eine STWE nach dem Hamburger Modell durchführen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
- Die Arbeitsunfähigkeit des oder der Erkrankten wurde von einem Arzt oder einer Ärztin festgestellt.
- Der oder die Betroffene kann Arbeitsaufgaben zumindest teilweise verrichten.
- Ein Arzt oder eine Ärztin hat bestätigt, dass der oder die Beschäftigte die Arbeitsfähigkeit wieder vollständig erreichen wird.
- Der oder die Mitarbeitende ist mit der Durchführung der STWE einverstanden.
Stufenweise Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell: Die ersten Schritte
In einem Zeitraum von vier Wochen wird die Arbeitsbelastung stufenweise erhöht.
Die ersten Woche beginnt mit mit zwei Stunden Arbeitszeit.
In der zweiten Woche steigt die Arbeitszeit um eine Stunde, auf insgesamt drei Stunden Arbeitszeit.
In der dritten Woche erhöht sich die Arbeitszeit erneut um eine Stunde, auf insgesamt vier Stunden Arbeitszeit.
In Woche vier wird die Arbeitszeit um eine weitere Stunde, auf dann 5 Stunden insgesamt erhöht.
In der darauffolgenden Woche fünf steigt die tägliche Arbeitszeit dann auf sechs Stunden an.
In Woche sechs werden bereits sieben Stunden erreicht, ehe in den Wochen sieben und acht die Arbeitszeit auf acht Stunden gesteigert wird.
Wie läuft die Wiedereingliederung ab? Am Anfang steht ein Plan für die stufenweise Rückkehr an den Arbeitsplatz. Diesen Plan entwickeln Arbeitgebende, Arzt oder Ärztin und der*die Beschäftigte gemeinsam. Dafür führt der*die erkrankte Berufstätige zunächst ein Gespräch mit seinem*ihrem Arzt oder seiner*ihrer Ärztin. Hier werden zum Beispiel die Dauer der Wiedereingliederungsmaßnahme und die Wochenarbeitszeit vereinbart. Es gibt dafür keine festen Vorgaben – die Zahl der Arbeitsstunden bei der STWE nach dem Hamburger Modell können Arbeitnehmer*in und Arzt oder Ärztin individuell festlegen. Auch die Art der Aufgaben, welche der* die Mitarbeiter*in in der Wiedereingliederungsphase bewältigen kann, sollte gemeinsam besprochen werden. Wichtig ist, dass die Rückkehr stufenweise erfolgt.
Die Vereinbarungen sind in einem Formular festzuhalten. Nachdem Arzt oder Ärztin sowie der oder die Betroffene dieses Schriftstück unterschrieben haben, muss auch der Arbeitgebende die Vereinbarung unterzeichnen, bevor sie an die Krankenkasse weitergegeben wird – die Zustimmung aller Beteiligten ist notwendig, damit der Stufenplan nach dem Hamburger Modell umgesetzt werden kann.
Durchführung der stufenweisen Wiedereingliederung in der Praxis
Wie lange dauern die einzelnen Stufen? Für Vollzeitbeschäftigte gilt: Zu Beginn der Wiedereingliederung wird in der Regel eine Arbeitsbelastung von mindestens zwei Stunden pro Arbeitstag gefordert, die stufenweise in einem Zeitraum von vier bis acht Wochen erhöht wird. Die Arbeitsleistung sollte dabei an fünf Arbeitstagen pro Woche erbracht werden.
Bei Teilzeitbeschäftigten wird eine entsprechend geringere Abstufung der Arbeitszeit gewählt, bis die bisherige Tätigkeit im früheren Umfang wieder ausgeübt werden kann.
Der gemeinsam ausgearbeitete Stufenplan zur Wiedereingliederung kann im laufenden Betrieb auch noch verändert werden. Wenn der*die Betroffene die Belastung bei der Arbeit als zu groß empfindet, können Arbeitgebende und Mitarbeiter*in die Stundenzahl verringern oder die Arbeitsbelastung reduzieren. Fühlt sich der*die Mitarbeiter*in während der Arbeit einmal nicht wohl, kann er*sie nach Hause gehen.
So vermeiden Sie Probleme bei der Wiedereingliederung
Funktioniert der gemeinsam aufgestellte Plan? Fühlt sich der*die Betroffene bei der Arbeit wohl oder ist er*sie überfordert mit der Stundenzahl oder der Art der Aufgaben? Um solche Fragen zu klären, sollte es regelmäßige Feedbackgespräche der Führungskräfte mit dem*der Betroffenen geben. So können alle Beteiligten mögliche Über- und Unterforderungen frühzeitig erkennen und den Stufenplan entsprechend anpassen.
Bevor es im schlimmsten Fall zu einem Abbruch der STWE kommt, sollte außerdem unbedingt ein Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin erfolgen. Betriebsärzt*innen kennen die Belastungen und Anforderungen am Arbeitsplatz im Unternehmen ebenso wie Möglichkeiten, den*die Mitarbeiter*in zu entlasten und den Stufenplan anzupassen.
Erscheint der*die Beschäftigte sieben Tage in Folge nicht zur Arbeit, gilt die Wiedereingliederung nach dem Hamburger Modell als abgebrochen. Sie kann zu einem anderen Zeitpunkt – wenn sich der*die Mitarbeiter*in dazu in der Lage sieht – erneut begonnen werden.