Wie sieht die Arbeit eines Staatlichen Gewerbeaufsichtsamts konkret aus?
Es gibt bei uns in Niedersachsen insgesamt 10 Staatliche Gewerbeaufsichtsämter. Unsere Aufgabe ist es, Unternehmen bei der Umsetzung von gesetzlichen Verpflichtungen zu unterstützen. Viele betriebliche Akteur*innen – und vor allem die Verantwortlichen im Arbeits- und Gesundheitsschutz – sind dankbar für eine solche Beratung und Unterstützung. Dies gilt insbesondere bei der Thematik psychische Belastung am Arbeitsplatz und den damit verbundenen Vorschriften. In Pilotprojekten führen wir manchmal beobachtende Tätigkeitsbegleitungen zur Beurteilung arbeitsbedingter psychischer Belastung in Unternehmen durch. Hier erleben wir nicht nur die tätigkeitsbedingten Anforderungen am jeweiligen Arbeitsplatz selbst hautnah mit, sondern lernen auch die organisatorischen Bedingungen vor Ort kennen, die eben auch zu Stress führen können.
Wie steht es um das Thema seelische Gesundheit?
Vielen Arbeitsschutzakteur*innen wissen zum Glück, dass körperliche Gesundheit und seelisches Wohlbefinden zusammengehören. Schließlich sind Mitarbeitende, die sich aufgrund von arbeitsbedingten Anforderungen psychisch nicht wohlfühlen, weder richtig gesund noch leistungsfähig. Dennoch ist psychische Gesundheit für die meisten Betriebe leider noch immer kein großes Thema. Nach unserer Erfahrung setzen sich viele erst damit auseinander, wenn Beschäftigte arbeitsbedingte Unzufriedenheit äußern, länger ausfallen oder das Unternehmen verlassen.
Welche Rolle spielt Prävention in Bezug auf psychische Gesundheit?
Eine sehr große Rolle. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass sich die Verantwortlichen schon im Vorfeld mit den spezifischen situativen, tätigkeitsbezogenen und organisatorischen Arbeitsanforderungen in ihrem Betrieb auseinandersetzen. Die Beurteilung von psychischer Belastung am Arbeitsplatz hilft dabei, betrieblichen Missständen auf die Spur zu kommen und sich systematisch mit arbeitsbedingten Anforderungen auseinanderzusetzen. Ich würde mir wünschen, dass Führungskräfte die Chancen erkennen, die in der Auseinandersetzung mit diesem Thema liegen – und sie mehr für sich nutzen. Denn sowohl die körperliche als auch die psychische Gesundheit von Beschäftigten sind eine unverzichtbare Grundlage für die Herausforderungen unserer heutigen Arbeitswelt und damit für ein gutes Arbeiten.
Wie erleben Sie den Umgang mit dem Thema Gesundheit in den Betrieben?
Viele Arbeitgeber*innen haben das Thema bereits im Fokus und machen den Mitarbeitenden ein umfangreiches Angebot zur Förderung und zum Erhalt ihrer Gesundheit. Erfahrungsgemäß werden verhaltensbezogene Angebote wie Yogakurse oder Ernährungsberatung vor allem von denjenigen gerne angenommen, die bereits ein gutes Gesundheitsbewusstsein haben. Solche Art von Angeboten trägt aber leider nicht dazu bei, arbeitsbedingte Belastungen wie etwa ein schlecht gestaltetes Informationsmanagement im Betrieb oder die mangelnde Wertschätzung in der Abteilung zu verbessern. Deswegen ist es sinnvoll, sich als Arbeitgebender oder Führungskraft auch mit den tätigkeitsbezogenen Anforderungen und gestaltbaren Arbeitsbedingungen zu beschäftigen.
Nach welchen Kriterien gehen Sie vor, um einzuschätzen, wie gut ein Betrieb im Bereich der psychischen Gesundheit aufgestellt ist?
Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet Arbeitgeber*innen dazu, für einen geeigneten Arbeits- und Gesundheitsschutz im Unternehmen zu sorgen. Das bedeutet, dass entsprechende Strukturen geschaffen und Ressourcen bereitgestellt werden. Außerdem müssen sämtliche Gefährdungen, denen Beschäftigte bei der Ausübung ihrer Tätigkeit ausgesetzt sind, beurteilt und gegebenenfalls Schutzmaßnahmen umgesetzt werden. Erfahrungsgemäß sind Betriebe, die hier Defizite haben, auch für das Thema der psychischen Gesundheit nicht sehr aufgeschlossen. Wir haben aber auch festgestellt, dass vielen Verantwortlichen schlicht der Zugang fehlt, weil sie die entsprechenden Begrifflichkeiten nicht kennen oder sie falsch verstehen. Solche Unsicherheiten hemmen die Auseinandersetzung mit dem Thema.
Was spielt noch eine Rolle?
Die Kultur eines Unternehmens ist mitentscheidend. Es gibt Betriebe, die haben eine gut aufgestellte Arbeitsschutzorganisation und eine ausgefeilte Gefährdungsbeurteilung. Dennoch passieren Unfälle, mitunter auch mit ansteigender Schwere, die Arbeitsunfähigkeitszahlen sind hoch und die Beschäftigten unzufrieden. In solchen Unternehmen fehlt oft eine sichtbar gelebte Sicherheits- und Gesundheitskultur. Das fängt schon auf dem Parkplatz und am Empfang an. Wenn die Geschäftsführung den Dienstwagen auf dem Parkplatz für eingeschränkte Personen abstellt oder man am Empfang ohne Begrüßung abgefertigt wird, bekommt man eine Idee, welche Werte und Normen im Unternehmen eine Rolle spielen. Genau diese Themen müssen wir angehen.
Wie schaffen es Betriebe, hier einen Schritt voranzukommen, und was sind dabei die größten Hürden?
Der Führung kommt eine besondere Rolle zu, natürlich in Abhängigkeit von den betrieblichen Strukturen und Rahmenbedingungen sowie den Werten und Normen im Unternehmen. Haben Verantwortliche erst die Wichtigkeit und die Möglichkeiten einer geeigneten Organisation im Arbeits- und Gesundheitsschutz erkannt, werden Prozesse zur Förderung und zum Erhalt der Gesundheit, auch der psychischen, oft gewinnbringend implementiert. Auch das Engagement der Interessenvertretungen ist hier maßgeblich. Oft sind es engagierte und geschulte Mitglieder der Betriebs- und Personalräte, die das Thema forcieren. Fachkräfte für Arbeitssicherheit und Betriebsärzt*innen können den Prozess ebenfalls vorantreiben. Wirksamkeit kann sich jedoch erst entfalten, wenn die Akzeptanz dieser Personen im Unternehmen sichergestellt ist.
Wenn Sie darüber entscheiden könnten, etwas an den Rahmenbedingungen zu verändern, was wäre das?
Das kommt auf die Perspektive an. Für die Betriebe würde ich mir wünschen, dass Führungskräfte mehr Zeit zum regelmäßigen Reflektieren und Führen bekommen und sich dann auch die Zeit dafür nehmen. Mit Blick auf mögliche Kooperations- und Ansprechpartner, wie zum Beispiel Krankenkassen, Renten- und Unfallversicherungsträger, Staatliche Aufsichtsbehörden, Gewerkschaften, Arbeitgebende- und Arbeitnehmerverbände wäre eine kooperative Zusammenarbeit wünschenswert, wie es die GDA (Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie) versucht. Um das Thema stringent in die Betriebe zu tragen, wäre es aus unserer Perspektive hilfreich, wenn das Bewusstsein über die Bedeutsamkeit des Themas dort noch weiter steigen würde.