Die Corona-Krise zeigt nicht nur, dass Ärzt*innen und Pflegefachkräfte systemrelevant sind, sondern gerade die vielen Helfertätigkeiten das Land „am Laufen halten“. Haben wir das bisher ignoriert?
Selbstkritisch sollten wir wohl feststellen, dass wir alle die Beschäftigten in Tätigkeiten ohne Qualifizierungsanforderungen in den letzten Jahren weniger in den Blick genommen haben, als es angezeigt gewesen wäre. Immerhin sprechen wir hier – über alle Branchen hinweg – von fast einem Fünftel aller Beschäftigten.
Helfertätigkeiten oder „Einfacharbeit“, wie es in den Statistiken heißt, ist aber nicht „einfach“, nur weil man dafür keine spezialisierte Ausbildung durchlaufen muss. Außerdem sind Tätigkeiten, die sich aktuell als Stützpfeiler unserer Gesellschaft erweisen, sicherlich mehr als nur „Hilfe“. Im BMAS haben wir bereits vor der Pandemie erkannt, dass wir hier genauer hinschauen müssen und wir längst nicht genug über Menschen in Basisarbeit wissen.
Um diese Wissenslücke zu schließen und Basisarbeiter*innen zukünftig besser unterstützen zu können, haben wir im letzten Jahr begonnen, uns in mehreren Workshops mit Wissenschaftler*innen ein genaueres Bild von dieser Beschäftigtengruppe zu machen. Im November 2019 haben wir darüber hinaus den Austausch mit betrieblichen Akteuren intensiviert und in Kooperation mit dem TÜV Rheinland, SAP, Audi und der Deutschen Bahn einen Dialog „Expedition 4.0“ angestoßen, der sich ausführlich der Gruppe der Basisarbeiter*innen widmet. Dieser Austausch erweist sich als sehr fruchtbar. Wir werden das verstetigen und das Thema weiter bearbeiten.
Was tut die Bundesregierung aktuell in der Corona-Krise für Menschen in Basisarbeit?
Einen absolut essenziellen Schritt haben wir weit vor der Krise getan: Wir haben den gesetzlichen Mindestlohn für alle eingeführt. Aktuell hat die Bundesregierung zahlreiche Maßnahmen verabschiedet, um Beschäftigte und Unternehmen zu unterstützen, etwa durch Wirtschaftshilfen und angepasste Miet- oder Kindergeldregelungen.
Für das BMAS ist die wohl wesentlichste Änderung das erleichterte Kurzarbeitergeld. Unternehmen können jetzt bei der Agentur für Arbeit Kurzarbeit beantragen, wenn mindestens zehn Prozent der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Bislang musste mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein. Außerdem werden z. B. Sozialversicherungsbeiträge bei Kurzarbeit jetzt vollständig erstattet von der Bundesagentur für Arbeit. Da aber die bisherige Kurzarbeitergeldregelung für manche nicht als Entgelt- und damit zur Existenzsicherung reicht, haben wir durchsetzen können, dass zukünftig statt bisher 60 bzw. 67 Prozent des Lohnausfalls zukünftig bei längerer Bezugsdauer 80 bis 87 Prozent gezahlt werden. Auch die Beantragung von anderen Leistungen oder die Möglichkeit von Hinzuverdiensten durch Nebentätigkeiten haben wir deutlich verbessert und damit Wege geschaffen, den eigenen Unterhalt schnell und unbürokratisch zu sichern. Für Sorgeberechtigte, die wegen der Betreuung ihrer Kinder vorübergehend nicht arbeiten können, gibt es einen Entschädigungsanspruch. Gerade Beschäftigte in systemrelevanten Berufen profitieren von diesen Anpassungen.
So haben wir erst in der letzten Woche den Arbeitsschutzstandard Covid-19 vorgestellt, mit dem wir bundesweit klare und verbindliche Standards zum Schutz der Beschäftigten in der Corona-Krise setzen.
Was muss sich nach der Krise noch ändern?
Die Krise zeigt deutlich, dass wir hier von Tätigkeiten sprechen, die das Funktionieren unserer Gesellschaft ganz wesentlich sichern. Das muss sich auch in der Bezahlung und den Arbeitsbedingungen widerspiegeln. Bundesarbeitsminister Heil hat an die Arbeitgebern appelliert, Beschäftigten nicht nur kurzfristige Boni auszuzahlen. Arbeitgeber sind gemeinsam mit den Gewerkschaften gefordert, gute tarifliche Lösungen zu finden. Es zeigt sich auch deutlich, dass das allgemeine Mantra der Qualifikation zu kurz greift. Zum einen haben viele Beschäftigte – auch an der Supermarktkasse oder im Paketdienst – bereits gute Qualifikationen, zum anderen wäre es fatal, diese Jobs alle „wegzuqualifizieren“. Wir sind auf sie angewiesen und müssen sie so gestalten, dass man gut und gerne auch in diesen Tätigkeiten arbeiten kann. Ungeachtet dieser langfristigen Perspektive dürfen wir nicht vergessen, dass wir hier auch von Respekt und Wertschätzung reden.
Der Applaus drückt die Anerkennung der Menschen für diese Beschäftigtengruppe aus, das ist ein gutes Zeichen. Aber diese Zeichen müssen handfester werden und wir dürfen nach der Krise nicht in alte Muster zurückfallen. Die Bundesregierung ist sich z. B. einig, dass der Pflegeberuf attraktiver und die Arbeitsbedingungen in der Pflege besser werden müssen. Mit der in dieser Woche im Kabinett beschlossenen Anhebung des Pflegemindestlohns für die Altenpflege ist ein guter Schritt getan: Viele tausende Pflegekräfte werden künftig deutlich besser bezahlt als bisher. Angesichts der stark fordernden Situation in der Altenpflege ist auch klar, dass die Pflegekräfte für ihren Einsatz während des Corona-Ausbruchs einen Bonus verdient haben. Sie leisten unter schwierigen Bedingungen gerade Großes. Diejenigen, die heute „Corona-Held*innen“ sind, verdienen unseren Respekt zu jeder Zeit. Respekt für gute Arbeit ist die Grundlage für unser Miteinander, um die Arbeitsbedingungen nachhaltig zu verbessern