Seit zwei Jahren arbeite ich in einem Seniorenzentrum im pfälzischen Böhl-Iggelheim. Hier leben 85 Menschen in vier Wohnbereichen. Für einen davon bin ich von 7.30 Uhr bis 10 Uhr im Frühstücksservice zuständig. Kurz nach Arbeitsbeginn klingle ich an der Tür zur Küche und nehme einen großen Wagen in Empfang. Darauf findet sich neben Kannen mit Kaffee und Teewasser alles, was die Bewohner*innen am Vortag bestellt haben. Mein Arbeitsplatz ist eine Küchenzeile mit Kühlschrank, Saft- und Wasserspender, Geschirr, Besteckkästen, Behälter für Brötchen sowie Glasschälchen für Butter und Marmelade.
Bevor die 17 Bewohnerinnen und vier Bewohner eintreffen, sorge ich dafür, dass alles griffbereit und liebevoll angerichtet ist. Die Betreuten sind zwischen 80 und 95 Jahre alt. Manche kommen im Rollstuhl, andere schieben Rollatoren vor sich her. Alle haben ihren festen Platz.
Vor der Corona-Krise reichten hauseigene T-Shirts, Häubchen, Handschuhe und Plastikschürzen aus, um der Hygiene zu genügen. Jetzt komme ich quasi vermummt daher: in einem langen, weißen Kittel sowie mit einer Maske zum Schutz von Mund und Nase und einer Haube. Nach Beendigung meiner Arbeit bin ich völlig verschwitzt. Körperliche Nähe ist nun absolut tabu. Wenn ich jemandem einen Vorbinder umlege oder einen Teller mit mundgerecht geschnittenen belegten Broten reiche, muss ich größtmöglichen Abstand halten. Um nicht zur Ansteckungsquelle zu werden, halte ich auch privat soziale Distanz und überlasse die Einkäufe meinem Mann.
Als Hochrisikogruppe sind sie von der Außenwelt abgeschnitten, Besuche von Angehörigen sind untersagt. Deshalb finde ich es gut, dass unser Haus diese dazu animiert, per Brief, telefonisch oder auch elektronisch mit ihren Verwandten zu kommunizieren. Anhand von Tablets des Zentrums lassen sich Kontakte per Video aufrechterhalten. Meinerseits versuche ich meinen Schützlingen zu vermitteln, dass sie sich geborgen und gut versorgt fühlen können. Meine Anregung, sich doch einmal die Kriegszeiten in Erinnerung zu rufen, führte bei vielen zu der Einsicht, dass sie schon viel Schlimmeres durchgemacht und überstanden hatten.
Die Wertschätzung, die ich von ihnen erfahre, lässt sich mit Geld nicht aufwiegen. Ich selbst bessere mit meinem 400-Euro-Job meine kleine Rente auf. Dafür arbeite ich monatlich ca. 40 Stunden, die sich auf drei bis vier Tage in der Woche, bisweilen auf Wochenenden verteilen. Ein Stundenlohn von 10 Euro: Das ist nicht viel. Viele in Vollzeit tätige Menschen in Pflegeberufen dümpeln am Existenzminimum vor sich hin.
Zum Beruf einer Altenpflegehelferin kam ich übrigens erst im Alter von 48 Jahren, weil ich die Diakonissen im Mutterhaus Lachen in Neustadt a. d. Weinstraße bei der Pflege betagter Mitschwestern unterstützen wollte. Die Ausbildung beinhaltete 19 Wochen Theorie und ein sechswöchiges Praktikum. In Lachen war ich sieben Jahre tätig, bis ich nacheinander meine Eltern ebenso wie meine Schwiegermutter in häusliche Pflege nahm. Ursprünglich qualifizierte ich mich als Einzelhandelskauffrau und arbeitete u. a. jahrelang in einem Großmarkt. Später war ich Gebietsleiterin bei einer christlichen, konfessionsübergreifend tätigen Stiftung, für die ich als Referentin wirkte und die Werbetrommel rührte. Alles hatte seine Zeit. Mein Lebensmotto veränderte sich dagegen nie: „Die Freude, die wir geben, kehrt ins eigene Herz zurück.“