Frau Hofmann, viele Unternehmen müssen ad hoc auf Homeoffice umschalten. Was erleben wir gerade?
Viele Betriebe sind jetzt zum Improvisieren gezwungen. Vor allem Unternehmen, die bisher noch gar nichts mit Homeoffice zu tun hatten, stehen vor großen Herausforderungen. Unter den jetzigen Bedingungen quasi gezwungen zu sein, Homeoffice zu nutzen, ist für Betriebe und Beschäftigte ein riesiges Puzzlespiel aus technischen Lösungen, Arbeitsroutinen, Anfahrtswegen, verschiedenen Betreuungssituationen, Menschen mit Vorerkrankungen usw. Für alle müssen nun gemeinsam mit den Mitarbeiter*innen Lösungen gefunden werden. Da kommt es auch viel auf Kreativität und Fantasie an.
Was müssen Unternehmen grundsätzlich bei der Einführung von Homeoffice wissen? Was raten Sie ihnen?
Es gibt ein paar Grundregeln, die wir aus dem Büro kennen. Diese sind auch in Zeiten von Corona nicht außer Kraft gesetzt. Dazu zählt z. B., dass der Arbeitgeber für die technische Ausstattung sorgen muss. Außerdem gilt: Arbeitszeit ist Arbeitszeit, auch zu Hause. Darüber hinaus ist die Einhaltung von Pausen im Homeoffice genauso wichtig wie im Büro. Und auch Datenschutz und Datensicherheit sollten gewährleistet sein. Wie Homeoffice letztlich konkret umgesetzt wird, wird sicherlich von Arbeitsbereich zu Arbeitsbereich variieren. Einzelne Abteilungen oder Standorte wissen am ehesten, was für ihr Funktionieren wichtig ist. Hier kommt es auf einen engen Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeiter*innen an, die besten Lösungen zu finden. Außerdem braucht es eine klare Kommunikation und Führung. Unternehmen sollten ihren Belegschaften erklären, warum sie jetzt wie handeln, wie lange es anhält und wie und wann die Lage neu bewertet wird.
Welche Informationen sollten Unternehmen ihren Beschäftigten im Homeoffice zur Verfügung stellen?
Generell haben Arbeitgeber Informationspflichten gegenüber den Beschäftigten. Das heißt, sie sollten kommunizieren, dass jetzt Homeoffice gilt, z. B. über das Intranet oder einen E-Mail-Verteiler. Darüber hinaus sollten sie die Fragen der Mitarbeiter*innen beantworten und wichtige Informationen zur Arbeitsweise bereitstellen, z. B. zur Arbeitszeiterfassung oder an wen man sich bei technischen Schwierigkeiten wenden kann. Wichtig ist, dass Beschäftigte alles, was sie jetzt wissen müssen, möglichst gut finden. Auch hier gilt: offen kommunizieren und deutlich machen, dass es sich um eine dynamische Situation handelt und sich Maßnahmen wieder verändern können. Da sich die Belegschaften derzeit in einer ungewohnten Stresssituation befinden, kommt es besonders auf verlässliche und vertrauensvolle Kommunikation an. Dazu gehören auch regelmäßige Informationsupdates.
Wie müssen Arbeitsprozesse organisiert werden, wenn die Beschäftigten überwiegend im Homeoffice sind? Wie organisiert man Teamarbeit im Homeoffice, wie hält man die Motivation hoch?
Wie gesagt: Kommunikation ist maßgeblich. Man kann z. B. eine tägliche Morgenrunde im Team per Telefon- oder Videokonferenz nutzen, um Arbeitspakete zu verteilen und Arbeitsstände zu überprüfen. Aber auch über den Tag sollte man sich austauschen über Telefon, E-Mail, Chats usw. Es ist vor allem Aufgabe der Führungskräfte, aber auch jeder und jedes einzelnen, dass das Team im zwischenmenschlichen Kontakt bleibt. Hierbei geht nicht um Kontrolle, sondern um Einbindung. Die Mitarbeiter*innen wollen auch gesehen werden und Leistung zeigen können. Eine interessante Lösung ist z. B. die Benennung einer Spielmacherin oder eines Spielmachers: Es gibt eventuell jemanden, der sehr kommunikativ ist und gern die Aufgabe übernimmt, den Austausch im Team in die Hand zu nehmen. Das muss keine Führungskraft sein. Die Person kann z. B. Telkos organisieren oder mal bei den Kolleg*innen anrufen. So verringert man die Gefahr, dass Beschäftigte in ein Loch fallen und sich sozial isoliert fühlen.
Nicht alle Aufgaben eignen sich fürs Homeoffice. Welche Lösungen gibt es hier?
Es wird immer Tätigkeiten geben, die man nicht ohne Weiteres im Homeoffice abarbeiten kann, z. B. weil technische Schnittstellen fehlen oder wenn es um Unterschriften geht, die nicht digital erbracht werden können. Auch sehr kreative Prozesse wie Strategiemeetings eignen sich auf Dauer sicher nicht so gut für das Homeoffice. Wo Mitarbeiter*innen also weiterhin an den Arbeitsplatz kommen müssen, ist erst einmal zu gewährleisten, dass dieser sicher ist und z.B. regelmäßig gereinigt wird. Wo viele Menschen auf engem Raum arbeiten, kann man vielleicht die Anwesenheiten reduzieren. Beim derzeit in manchen Organisationen praktizierten 50-50-Modell beispielsweise bleibt die eine Hälfte der Belegschaft zuhause, die andere kommt ins Büro. Oder man arbeitet in Tandems, bei denen man abwechselnd ins Büro geht. Dort, wo ein Vier-Augen-Prinzip notwendig ist, z. B. bei wichtigen Unterschriften, kann man schauen, ob sich das im Umlaufverfahren lösen oder ob man Aufgaben so bündelt, dass sie nur noch einmal in der Woche finalisiert werden müssen.
Vor dem Hintergrund der enormen Umwälzungen gerade: Was können wir aus der Situation lernen?
Zum einen darf das flächendeckende Homeoffice jetzt nicht dazu führen, dass Arbeitszeiten massenhaft entgrenzt werden. Wir sollten nicht vergessen, Pausen zu machen und rechtzeitig mit der Arbeit aufzuhören. Das fällt gerade Neulingen im Homeoffice häufig noch schwer. Zum anderen sollten wir diese besondere Situation aber auch als Lernchance begreifen. Unzählige Organisationen sind gerade gezwungen, neue digitale Arbeitsformen zu nutzen. Das könnte unsere Art des Arbeitens nachhaltig verändern, indem auch in Zukunft, wenn hoffentlich wieder Normalität eingekehrt ist, Homeoffice bzw. die Zusammenarbeit über Distanz eine größere Rolle spielen, mehr digitaler Austausch stattfindet und Geschäftsreisen künftig kritischer auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!
Dr. Josephine Hofmann leitet das Team Zusammenarbeit und Führung des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und ist zudem stellvertretende Leiterin des Forschungsbereichs Unternehmensentwicklung und Arbeitsgestaltung.