Morgens am heimischen Schreibtisch, nachmittags im Zug oder nur montags in der Firmenzentrale: Hohe Flexibilität und mehr Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben nehmen an Bedeutung für Mitarbeiter*innen zu. In Zeiten der Coronavirus-Pandemie steigt vor allem die besondere gesundheitsförderliche Bedeutung von Homeoffice. Immer mehr Unternehmen schaffen daher Möglichkeiten und Arbeitsmodelle, die mobiles Arbeiten unabhängig von Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglichen. Doch damit das gelingt, braucht es neben viel Vertrauen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen und Regeln im Betrieb wie z. B. Betriebsvereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit. Auch die technische Ausstattung muss stimmen, um Homeoffice und mobiles Arbeiten zu ermöglichen. Welche Wege Betriebe bei der Umsetzung gehen können, zeigen zwei Praxisbeispiele: das Softwareunternehmen Cisco Systems und die Deutsche Kreditbank (DKB).
Die Ergebnisse zählen, nicht der Ort: mobiles Arbeiten beim Softwarekonzern Cisco
Mal in Frankreich, in Österreich oder in Deutschland: Die Mitarbeiter*innen, die im international agierenden Unternehmen Cisco zusammenarbeiten, teilen nur selten den Arbeitsort. Im IT- und Softwarekonzern ist das Arbeiten in international verstreuten Teams längst Standard – und das in allen Hierarchieebenen. Auch Führungskräfte sind mobil tätig und arbeiten von zu Hause oder unterwegs. 60 Prozent der Cisco-Beschäftigten haben ihre*n Chef*in nicht am gleichen Arbeitsort. Was dafür nötig ist? Moderne digitale Technologien, die vernetztes Arbeiten möglich machen, sowie eine Arbeitskultur des Vertrauens. Cisco setzt auf Selbstorganisation und Ergebnisse, nicht auf Anwesenheit. Diese Faktoren machen das mobile Arbeiten im Konzern zum Erfolg:
Ohne die richtige Technik läuft nichts. Ob im Büro oder von unterwegs: Die Beschäftigten wählen sich vom Arbeitslaptop oder mit dem Smartphone in (Video-)Besprechungen ein. Dokumente liegen zur gemeinsamen Bearbeitung in der Cloud. Statt per E-Mail wird verstärkt über Business-Messaging-Dienste kommuniziert. Gibt es neue, praktikablere Lösungen, werden diese eingeführt.
Mobiles Arbeiten braucht eine gute Führung mit klarer Aufgabenverteilung und verlässlicher Erreichbarkeit der Führungskräfte. Sie sind daher per E-Mail oder Chat erreichbar, damit Fragen geklärt und Ziele abgestimmt werden können.
Flexibles Arbeiten lebt von guter Organisation. Deshalb gibt es Schulungen im Selbstmanagement. Hinzu kommen regelmäßige Pflichttrainings zur Sicherheit am Arbeitsplatz und zu Compliance, bei denen auch der richtige Umgang mit Arbeitszeit eine Rolle spielt.
Dass die Mitarbeiter*innen ihren Teil zum Firmenerfolg beitragen, sichert das Unternehmen durch klare Zielvorgaben ab. Die Beschäftigten werden an ihren Ergebnissen gemessen. Wie sie das gemacht haben, wird so weniger relevant.
Mehr Freiheiten der Einzelnen bedeuten auch, gemeinsam mehr für den Teamgeist tun zu müssen, etwa über feste Team-Calls und Events, interne Kommunikation und Plattformen. Wenn das Gespräch am Kaffeeautomaten entfällt, müssen neue Formate gefunden werden.
Neue Ansätze werden dem Gesamtbetriebsrat vorgelegt, der sie prüft und Bedenken mit der Geschäftsführung rückkoppelt. So hat der Betriebsrat z. B. grünes Licht für ein Tool gegeben, mit dem die Beschäftigten ihre Zufriedenheit und Arbeitsauslastung bewerten können. Bedingung: Die Daten dürfen nicht für die Mitarbeiterbewertung genutzt werden.
Um beim flexiblen Arbeiten Privates und Berufliches zu trennen, braucht es klare Grenzen. Nimmt z. B. eine Führungskraft wahr, dass es Kolleg*innen schwerfällt, nach Feierabend nicht mehr erreichbar zu sein, werden sie darauf angesprochen und darin bestärkt, an ihre Pausen zu denken.
INQA-Toolbox: Zielvereinbarung
Eine Zielvereinbarung ist eine Führungstechnik, bei der Führungskraft und Mitarbeiter*in die Umsetzung konkreter Unternehmensziele in einem bestimmten Zeitraum festlegen. Beispiele für diese Ziele sind z. B. das Gelingen eines bestimmten Projektes oder die Steigerung des Unternehmensgewinns um eine Zielhöhe.
Deutsche Kreditbank: die 7 Schritte zum erfolgreichen mobilen Arbeiten
Flexibles Arbeiten, z. B. regelmäßiges Homeoffice oder Teilzeitvereinbarungen, gehört auch bei der Deutschen Kreditbank (DKB) schon länger zum Instrumentarium. Doch die Bank wollte das Thema Flexibilität noch grundsätzlicher angehen und allen Mitarbeiter*innen höchste Flexibilität bei Arbeitszeit und Arbeitsort ermöglichen. Schließlich wird auch das Bankwesen immer flexibler und durch die Digitalisierung mobiler, Fachkräfte sind begehrt. Die DKB rief daher das Pilotprojekt „Flexwork“ ins Leben. Das Ziel: die Steigerung von Mitarbeiterzufriedenheit, Arbeitgeberattraktivität und Produktivität. Die Idee: Der Ausbau des mobilen Arbeitens soll auf lange Sicht die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens sichern. Spontan zeit- und ortsflexibel arbeiten – das soll künftig Standard bei der DKB sein. Mit diesen Schritten hat die Bank den Praxistest gemacht:
„Flexwork“ startete als Pilot: in Teilen der Unternehmenszentrale sowie an Standorten, an denen Geschäftskunden betreut werden. Welche organisatorischen, technologischen und personellen Voraussetzungen sind bereits geschaffen und welche braucht es noch? Das wurde im Pilotbetrieb geprüft und ausgewertet.
Projektleitung, Führungskräfte und Mitarbeiter*innen erarbeiteten alle Maßnahmen gemeinsam. Entscheidungen zu Kommunikation, Erreichbarkeit, technischen Voraussetzungen oder einer gerechten Aufgabenverteilung wurden direkt im jeweiligen Team getroffen. Der DKB-Betriebsrat war während des gesamten Prozesses eng eingebunden.
Moderiert und wissenschaftlich ausgewertet wurde das Projekt vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (FAO). Als neutraler Partner brachte es sein Fachwissen in den Prozess ein und evualuierte die Auswirkungen des flexiblen Arbeitens im Konzern.
Unter welchen Bedingungen die flexible Arbeit funktionieren soll, wurde in Betriebsvereinbarungen festgehalten. Dazu wurden in Team-Workshops gemeinsame Regeln in Bezug auf Mediennutzung, Vertrauensarbeitszeit, Erreichbarkeit und Präsenzpflichten erarbeitet.
In einer Infoveranstaltung wurde allen Führungskräften die Evaluationsergebnisse der Testphase sowie die Regelungen der Betriebsvereinbarung vorgestellt. Zudem gab es digitale Austauschformate für die Mitarbeiter*innen wie Meet-ups und Open Hour, in denen sie per Videochat ihre Fragen stellen konnten.
Alle Teilnehmer*innen der Projektphase wurde mit mobilen Endgeräten und Software ausgestattet, die mobiles Arbeiten erleichtern. So können z. B. Kundentermine seither einfacher und schneller dokumentiert werden, etwa digital von zu Hause oder unterwegs.
Im Rahmen interner Schulungen befassen sich die Beschäftigten mit organisatorischen und kulturellen Fragen, die mit dem flexiblen Arbeiten einhergehen. Führungskräfte werden gezielt für das Thema Führung auf Distanz sensibilisiert.
INQA-Toolbox: Betriebsvereinbarung
Eine Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag zwischen Arbeitgeber*in und Betriebsrat – und ein wichtiges Instrument der Mitbestimmung. Die verbindliche Übereinkunft regelt Recht, Pflichten und Normen für beide Seiten und darüber hinaus für alle Beschäftigten des Unternehmens. Arbeitszeitmodelle werden häufig in Betriebsvereinbarungen festgelegt.